Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte Nasszellen
Barrierefreie Gebäudeplanung, Funktionsräume, Nasszellen in Einrichtungen für Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Anforderungen an die Ausstattung, Planungshinweise
Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte
Planungshilfen und Praxisbeispiele für zukunftsorientierte Gebäude und Freiflächen
Herausgeber: Insa Schrader
Die DIN 18040 und die DIN EN 17210 stellen die aktuellen gesetzlichen Vorgaben an das Barrierefreie Bauen. Hier werden sensorische Anforderungen wie Sehen, Hören oder Tasten oder die speziellen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern berücksichtigt. Bei der technischen Ausstattung von Innenräumen spielt Universal Design inzwischen eine große Rolle. Es ermöglicht allen Menschen eine gleichberechtige Teilhabe am Leben. Immer wichtiger wird auch die Beteiligung späterer Nutzer in der Bauplanungsphase, damit eine optimale und vor allem nutzerfreundliche Planung gelingen kann.
Der Ratgeber "Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte" unterstützt Architekten, Bauingenieure und Fachplaner sowie Mitarbeiter in Bauunternehmen sowie in öffentlichen Einrichtungen, Altenpflegeeinrichtungen und Krankenhäusern mit Planungshilfen und Praxisbeispielen. Das praxisnahe Werk zeigt, wie mit bedarfsgerechten und praktischen Lösungen die gesetzlichen Anforderungen an Barrierefreiheit sicher erfüllt und gleichzeitig den Nutzern der Bauten der Alltag erleichtert werden kann.
Inhaltsverzeichnis
Anforderungen an das barrierefreie Bauen | Medizinische Grundlagen | Barrierefreie Gebäudeplanung | Barrierefreie Freiflächenplanung und Gestaltung von Außenanlagen | Gestaltung von Innenräumen und technische Ausstattung | Besonderheiten bei unterschiedlichen Nutzungsarten | Realisierte Beispiele aus der Praxis
Leseprobe
Nasszellen in Einrichtungen für Menschen mit kognitiven Einschränkungen
In Altenpflegeeinrichtungen, aber auch in Akutkrankenhäusern ist der Umgang mit Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Demenz zu einer zentralen Aufgabenstellung geworden.
Eine wichtige Zielsetzung bei der Planung für diese besonders sensible Nutzergruppe ist, deren zurückgehende Anpassungsfähigkeit an die Umwelt mit bewussten Korrekturen auszugleichen.
Denn in dem Maß, in dem die Handlungskompetenzen der Bewohner abnehmen, spielt die erkennbare Umwelt für das "Sichzurechtfinden" eine Rolle.
Der Bewohner erwartet von seiner Umgebung Übersichtlichkeit und Vertrautheit. Eine helle und schattenarme Beleuchtung, Orientierungshilfen und ausreichend Bewegungsfreiheit können ihn unterstützen.
Doch auch die Pflegenden müssen ein angepasstes Arbeitsumfeld erhalten, um die oft kräftezehrende Arbeit bewältigen zu können. Besonders viel Pflegeaufwand bilden Toilettengänge bzw. Inkontinenz der Bewohner. Die Planung der Nasszelle verdient daher größte Aufmerksamkeit.
Grundrissanordnung
Eine wichtige Orientierungshilfe zur Auffindbarkeit der Nasszelle geben verständliche Beschilderungen. Studien belegen, dass das einfache Bild eines WCs das am besten verständliche Piktogramm darstellt.
Das Auffinden des WCs wird besonders unterstützt durch eine Änderung der üblichen Grundrisse Abb. -Nasszelle Standard-. Die Platzierung des WCs im Blickfeld direkt gegenüber der Tür zur Nasszelle mit deutlichem Leuchtdichtekontrast zur Umgebung macht die Funktion des Raums schon beim Betreten sichtbar.
Für die dargestellte Grundrissanordnung in Abb. -Nasszelle barrierefrei gem. DIN 18040-2- spricht auch die Problematik der Platzierung des Spiegels. Um Sinnvolles und Gewohntes anzubieten, sollte dieser über dem Waschtisch angebracht werden. Wenn beim Öffnen der Türe allerdings das eigene Spiegelbild als Erstes gesehen und verkannt wird, erscheint das Bad besetzt, es wird nicht benutzt. Mit dem "Nichtbenutzen-Können" der Toilette wird Inkompetenz erlebt – Erregung, Weglauftendenz und andere Verhaltensmuster können die Folgen sein. Leicht vermeidbar ist dies mit dem Tauschen der üblichen Anordnung von WC und Waschtisch.
Pflegeunterstützung
In Akutkrankenhäusern wird bereits bei 20 % der Nutzungsvorgänge in der Nasszelle Pflegeunterstützung benötigt, der Anteil steigt. Dies liegt zum einen an der größer werdenden Anzahl der Patienten mit einer Nebendiagnose Demenz, aber auch an anderen Faktoren, wie der ansteigenden Zahl adipöser Patienten. Aktuelle Berechnungen gehen von einem Zeitbedarf pro Nutzungsvorgang mit Mehrpersonenpflegeunterstützung von 16 Minuten aus. Bei etwa sechs Toilettengängen pro Tag summieren sich die Stunden, die nicht mit anderen Pflegeverrichtungen ausgefüllt werden können, in einem 800-Betten-Haus auf 33 FTE (Full Time Equipment) im Jahr. (Annahme: 800-Betten-Krankenhaus mit 420 Nasszellen, Belegung 70 %, entspricht 560 Patienten mit sechs Nutzungsvorgängen pro Tag pro Patient.
Berechnung
560 Patienten x 330 Tage = 185.000 Tage x 6 Nutzungsvorgänge = 1.110.000 Nutzungsvorgänge pro Jahr, davon 20 % mit Pflegeunterstützung. 220.000 Nutzungsvorgänge mit je 16 Minuten Pflegezeit ergeben 58.700 Stunden im Jahr, was 33 Vollzeitstellen entspricht.).Fußboden, Decke
In der Nasszelle wird durch klar definierte Umgebungsflächen eine eindeutige Raumwahrnehmung gewährleistet. Grundsätzlich gilt:
Der Boden soll die dunkelste Fläche im Raum sein. Dies vermittelt das Gefühl vom sicheren Stehen auf "festem Boden unter den Füßen". Farbkontraste der Bodenbeläge, besonders Schachbrettmuster, bei dem die dunklen Flächen als tiefer liegend wahrgenommen werden, überfordern die Nutzergruppe. Auch Muster, wie z. B. Pünktchen oder Linien, irritieren.
Aufmerksamkeit verdient auch der Übergang in die Nasszelle - nicht nur Schwellen, auch größere Farbunterschiede verursachen Stürze.
Blaue Böden sollten vermieden werden, sie werden oft als Wasser fehlinterpretiert. Auf blendfreie, nicht spiegelnde Materialien ist zu achten.
Die Decke sollte die hellste begrenzende Fläche des Raumes sein, eine Markierung der Raumkanten kann die räumliche Wahrnehmung verstärken.
Ausstattung
Bei der Ausstattung der Nasszelle können mit dem bewussten Einsatz von Farbmarkierungen, am besten mit der lange erkennbaren Farbe Rot, eingespielte Bewegungsabläufe, wie Spültaste bedienen oder Hände waschen, leichter abgerufen werden. Besonderes Augenmerk verdienen hier Details: Eine WC-Bürste mit rotem Griff wird bspw. deutlich öfter erkannt und benutzt. Bei einer weiter fortgeschrittenen Demenz ist dies jedoch nicht erwünscht, da diese "Übung" nicht immer wie erlernt endet. Dann muss die Bürste in der Wandfarbe "getarnt" verwendet werden.
Ein Armaturentest bestätigte, dass Einhebelmischer von den meisten Benutzern problemlos bedient werden können. Berührungslose Armaturen sind hingegen für ältere Menschen am wenigsten geeignet. Unterschiedlich wurde eine Armatur mit LEDs zur Farbmarkierung - Rot für heißes und Blau für kaltes Wasser - von Menschen mit Demenz des Öfteren erlebt, deren Bedienung nicht verstanden wurde.
Ovale WCs in Standardgröße haben sich bewährt, rechteckige werden oft als ungewohnt abgelehnt. Auch für im Sitzen urinierende Männer ist die ovale Form besser geeignet.
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