Wohngemeinschaften demenzbetroffener Menschen
Bis zu acht Betroffene leben, ähnlich wie in einer Großfamilie, zusammen - jedoch ohne heimtypische Regelungen und Strukturen.
Rechtsanspruch auf ambulante Versorgung
Wohngemeinschaft Demenz
Wohnraum für pflegebedürftige und verwirrte ältere Menschen lässt sich im Rahmen kleiner ambulant betreuter Wohngemeinschaften anbieten. In diesen leben sechs bis acht Betroffene, ähnlich wie in einer Großfamilie, zusammen - jedoch ohne heimtypische Regelungen und Strukturen.
"Jeder zahlt nur für sein Zimmer und anteilig etwas von den gemeinsamen Räumen zu ganz normalen Mietkonditionen".
Die Mitglieder der Wohngemeinschaft beteiligen sich, je nach ihren Fähigkeiten und Vorlieben, an Alltagsaktivitäten wie einkaufen, kochen, waschen oder bügeln.
Ein festes Team eines ambulanten Pflegedienstes, ist rund um die Uhr anwesend und betreut die alten Menschen. Tagsüber sind zwei Pflegende anwesend, nachts ist eine Pflegekraft erforderlich.
Durch die aktive Beteiligung an der Alltagsgestaltung, die vertrauten Räume und Abläufe, erhalten die Bewohner eine bessere Orientierung, mehr Sicherheit und Lebensqualität. Der ganz gewöhnliche Alltag wird so zur "Therapie".
Diese familienähnliche Wohn- und Lebensform, mit hoher Betreuungsqualität, gibt es bereits seit vielen Jahren, z.B. in Berlin, Bielefeld und Münster sowie in Frankreich und den Niederlanden. Nach dem Gesetz handelt es sich dabei weder um eine stationäre Einrichtung (Heim), noch um das sogenannte "Betreute Wohnen".
Anforderungsprofil der Wohnungen
Eine Wohngemeinschaft mit 8 Bewohnern benötigt ca. 200 - 270 qm Wohnfläche, bestehend aus:
- 8 Schlafzimmern
- 1 große Küche
- 1 Wohnzimmer
- 3 Badezimmern mit WC (oder 2 Badezimmer und 1 Gäste WC)
- 1 Büroraum
- 1 Abstellraum
- 1 Hauswirtschaftsraum
Geeigneter Wohnraum
- Bestehende große Wohneinheiten, z. B. Einfamilienhäuser oder
- Mittelgroße und kleine Wohneinheiten, die miteinander verbunden werden, z.B. in Mietshäusern.
Nach Möglichkeit sollte ein Balkon oder Gartenteil vorhanden sein.
Die Wohnungen müssen nicht die strikten Anforderungen der DIN 18040 Teil 2 (Barrierefreies Bauen) erfüllen, sondern können im Sinne der Wohnungsanpassung nachgerüstet sein. Auf besondere (heimtypische) Ausstattungsmerkmale wird bewusst verzichtet (Handläufe, Flurbreiten, Extrembeleuchtung mit 500 Lux Verschattungsfrei, großzügige Bewegungsflächen etc.).
Bei der Auswahl geeigneten Wohnraums sind zwei Zielperspektiven zu berücksichtigen:
- Vertrautheit
Demenzbetroffene Menschen finden sich in einem Milieu zurecht, das so weit wie möglich Ihrem bisherigen zu Hause entspricht. Normalität ist daher gefragt. Zu moderne Gestaltungs- und Ausstattungselemente werden nicht verstanden und sind daher zu vermeiden (z. B. Einhandmischbatterien). Nur so können die größtmögliche Selbständigkeit und ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit entstehen. - Erhalt größtmöglicher Mobilität und Durchführbarkeit der Körperpflege
Natürlich muss jeder Klient die Möglichkeit haben, auch bei Gehunfähigkeit, z. B. von seinem Schlafzimmer in die gemeinschaftlich genutzten Räume zu gelangen. Da jedoch jederzeit eine nach neusten Erkenntnissen geschulte Pflegekraft anwesend ist, die mit dem Konzept der Kinästhetik vertraut ist, können hier andere Vorgehensweisen genutzt werden, als gemeinhin in der Pflege üblich. Auf den Einsatz von fahrbaren Hebeliften (hohes Angstpotenzial für viele Demente) oder extrem breiten Elektrorollstühlen, innerhalb der Wohnung, kann beispielsweise verzichtet werden.
Unverzichtbar erscheinen jedoch z. B. die folgenden Dinge:
- Mindestens eine normale Badewanne (es findet sich in der Regel mindestens ein Betroffener, der einen in die Wanne einsetzbaren Hublifter mitbringt).
- Mindestens eine (nahezu) bodengleiche Dusche.
- Die WC sollten nach Möglichkeit leicht erhöht sein (wie im altengerechten Wohnen üblich)
- Die Küchenzeile sollte nachts über eine gesonderte Sicherung abstellbar sein.
- Wohnungen im Obergeschoss sollten über einen Aufzug erreichbar sein. Sind nur einige Zimmer nicht im Erdgeschoss, kann über den Einsatz eines Plattform-Treppenliftes nachgedacht werden.
Um zwischen den beiden Zielperspektiven einen Kompromiss zu finden, ist jeweils eine zielgerichtete pflegewissenschaftliche Analyse aller Vor- und Nachteile des jeweiligen Objektes und der möglichen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
Derzeit gibt es in Deutschland vier verschiedene Typen von Wohngemeinschaftsformen, heißt es beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin.
- Beim integrierten stationären Typus wird ein Pflegeheim in teilautonome Pflegeeinheiten mit familienähnlichem Charakter aufgeteilt. Die Bewohner sollen sich weitgehend selbst versorgen.
- Das Modell des ausgegliederten stationären Typus, die sogenannte heimverbundene Hausgemeinschaft versucht, in einem normalen Wohnumfeld die pflegerische Versorgung der Demenzkranken unter dem organisatorischen Dach einer stationären Einrichtung zu realisieren.
- Zum ambulanten Typus mit einer zentraler Bezugsperson gehören Wohngruppen, die, je nach Pflegebedürftigkeit, gemeinsam eine Art Haushälterin oder Sozialarbeiterin einstellen, die als kontinuierliche Ansprechperson zur Verfügung steht.
- Der ambulante Typ mit ausschließlicher Versorgung durch ambulante Pflegedienste orientiert sich am tatsächlichen Pflegebedarf der Mitbewohner und den entsprechenden Ansprüchen an die Kostenträger. Im Unterschied zu dem neuen Modell gibt es dort keine speziellen Betreuungsprogramme zur Pflege dementer Menschen.
Rechtsanspruch auf ambulante Versorgung
Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) stellte lange vor Einführung der Pflegeversicherung flexible Hilfen zur Verfügung, die individuell auf den einzelnen Betroffenen, seine Bedürfnisse und seine Lebenssituation zugeschnitten werden können. Für die Finanzierung der Pflegeleistungen in ambulanten Wohngemeinschaften demenzbetroffener Menschen, können bei Personen, welche die Pflegeleistungen nicht aus eigenen Mitteln finanzieren können, Ansprüche nach §§ 68/69 BSHG je nach individuellem Pflegebedarf ergänzend zu den Leistungen des SGB 11, geltend gemacht werden. Die Kommunen sind, wenn Rente und Vermögen des Betroffenen hierzu nicht ausreichen, zur Übernahme der notwendigen Pflegekosten verpflichtet, wenn dadurch eine Heimunterbringung vermieden werden kann.
Das seit 01.01.05 geltende SGB 12 verstärkt den im § 3a des BSHG bereits enthatenen Vorrang der ambulanten vor der stationären Pflege sogar noch. Das neue SGB 12 sieht in § 9 (Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles) die ambulante Versorgungsvariante als den Regelfall an, von dem nur in ganz besonderen Einzelfällen auf Wunsch des Leistungsberechtigten abgewichen werden kann.
SGB 12 § 13 bestärkt den Vorrang anderer als stationärer Leistungen.