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Barrierefreie Gestaltung von Plattenbauten - Schaffung von barrierefreien Wohnungen

Zu den verbreitetsten Plattenbau-Typen der DDR zählen unter anderem WBS 70, WHH GT 18, P2 und M10. Durch die standardisierte, fabrikmäßige Herstellung aus dem widerstandsfähigen Material Beton haben Plattenbauten bis heute eine gute Bausubstanz.

Barrierefreie Gestaltung von Plattenbauten

Anforderungen an das Wohnumfeld, das Wohngebäude und die Wohnung
Schaffung eines barrierefreien Wohnumfeldes
Umbaumaßnahmen im Bad
Schaffung von barrierefreien Wohnungen
Rampe überbrückt die Stufen zu einem GebäudeÜber-Eck Hublift überbrückt 3 Stufen vor einem WohngebäudeTreppenplattformlift vor einem HauseingangAußenlift neben dem Treppenaufgang eines MehrfamilienhausesLift im Innenhof eines MehrfamilienhausesSchema einer barrierefreien Balkontürschwelle mit Aquadrain, Terrassenaufbau für HolzbelagDusche ersetzt die Badewanne mit Voher- und NachherbildernFrau mit Rollator geht durch die geöffnete Raumspartür

Anforderungen an das Wohnumfeld, das Wohngebäude und die Wohnung

Wie müssen Wohnungen in Blockbauten und Plattenbauten beschaffen sein, um mit anderen inzwischen am Markt vorhandenen Neubauwohnungen konkurrieren zu können? Welche Anforderungen stellen Familien mit Kindern, junge und alte Menschen sowie Menschen mit Behinderungen an ihre Wohnung? Das war Gegenstand einer Untersuchung des IEMB bereits in den Jahren 1993 und 1994.

Senioren stellen Anforderungen an das Wohnumfeld, das Wohngebäude und die Wohnungen, die auch von anderen Bewohnergruppen als wünschenswert angesehen werden. Deshalb ist bei der Sanierung des Wohnungsbestandes in Plattenbausiedlungen eine barrierefreie Gestaltung anzustreben.

Voraussetzung dafür ist ein barrierefreies Wohnumfeld, barrierefreier Zugang zum Wohngebäude und zur Wohnung sowie ausreichende Bewegungsflächen innerhalb der Wohnung.

Aber die Wohnungen in Plattenbauweise sind überwiegend nicht barrierefrei nutzbar.

Hauptkritikpunkte:

  • Zu kleine oder ungünstig geschnittene Individualräume
  • Zu kleine Küchen, wenig Stellflächen und Bewegungsflächen
  • Zu kleine Bäder, wenig Stellflächen und Bewegungsflächen
  • Ungünstiger Zuschnitt der Küchen und Bäder
  • Schlechte Qualität der Ausstattung, insbesondere bei Wohnungen für Rollstuhlbenutzer
  • Keine barrierefreien Zugänge zum Haus und zur Wohnung, mit Ausnahmen bei den Punkthochhäusern
  • Fehlende Aufzüge bei 4- bis 6-geschossigen Gebäuden, mit Ausnahmen bei Sonderwohnformen
  • Kein barrierefreies Wohnumfeld

Seit den 90er Jahren wurden in großem Umfang Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen an den Wohngebäuden in den Plattenbausiedlungen der neuen Bundesländer durchgeführt. Es wurde die einmalige Chance, diese Mängel in einem bedarfsgerechten Umfang zu beseitigen, nicht genutzt. Dazu gehören Schaffung von barrierefreien Zugängen, Beseitigung von Schwellen, Umbaumaßnahmen im Bad und Schaffung von barrierefreien Wohnungen. Mit zunehmendem Leerstand begann man wieder darüber nachzudenken, Plattenbauwohnungen barrierefrei umzugestalten. So wurde z.B. in Greifswald, Ernst-Thälmann-Ring 26, ein 6-geschossiges Punkthaus in WBS 70 barrierefrei nach DIN 18025, Teil2, umgestaltet.

Schaffung eines barrierefreien Wohnumfeldes

Das Wohnumfeld soll soziale Kontakte der Bewohner ermöglichen. Das ist für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen, insbesondere für Rollstuhlbenutzer, wichtig. Mit der damaligen DIN 18024 und 18025, "Barrierefreies Bauen" wurden Anforderungen an eine rollstuhlgerechte Gestaltung des Wohnumfelds formuliert:

  • Fußwege ohne Stufen und erschütterungsarm, Mindestbreite 120cm
  • ausreichende Bewegungsfläche
  • Bedienungseinrichtungen im Greifbereich der Rollstuhlbenutzer, Höhe 85cm

Gegenstand der Norm sind Straßen, Plätze, Wege, öffentliche Verkehrsanlagen und Grünanlagen, Spielplätze sowie öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten. Die barrierefreie Gestaltung fängt beim Wohnumfeld an. Leider spielte im Rahmen der durchgeführten Wohnumfeldverbesserungen in den Großsiedlungen der Aspekt des barrierefreien Bauens eine untergeordnete Rolle.

Rampen

Rampen dienen zur barrierefreien Erschließung der Hauseingänge. Deshalb sollten im Rahmen der Wohnumfeldgestaltung Rampen als Ergänzung zu den bereits vorhandenen Treppen angeordnet werden. Mit Rampen wird alten Menschen, Rollstuhlbenutzern und Bewohnern mit Kinderwagen ermöglicht, Höhenunterschiede stufenlos zu überwinden und somit den Hauseingang barrierefrei zu erreichen.

Aufzüge

Zur Überwindung der Sockelgeschosshöhe sind außer Rampen auch sogenannte Treppenplattformaufzüge oder Hebebühnen geeignet, insbesondere wenn im Eingangsbereich kein Platz für den nachträglichen Anbau einer Rampe vorhanden ist.

Aufzüge wurden erst bei Wohngebäuden über 6 Geschosse eingebaut. Die Abmessungen des Fahrkorbes, das technische Niveau und die Steuerungstechnik entsprechen nicht dem neuesten Stand der Technik und den Anforderungen zur Mitnahme eines Rollstuhls. Die vorhandenen Aufzugsanlagen sind von Rollstuhlbenutzern auch bei den 10- bis 11-geschossigen Wohnscheiben ohne zusätzliche Hilfsmittel nicht zu erreichen, weil bis zum Aufzug Treppen zu überwinden sind.

Zur Zeit wird überlegt 5-geschossige Plattenbauten aufzustocken. Möglichkeiten bietet die Holzbauweise wegen der geringen Lasten.

Es besteht u.a die Umsetzung der Erschließung mittels vorgelagertem Aufzug am Treppenhaus. In den Bestandgeschossen erreicht man allerding lediglich das Zwischenpodest. Alternativ erschließt man die Wohnungen mittels Laubengang.
Eine komplette Erneuerung des Treppenhauses mit Aufzug ermöglicht die barrierefreie Erschließumg aller Geschosse. Hier ist allerdings ein zwischenzeitlicher Umzug der Mieter erforderlich. (Redaktion 2022/10)

Beseitigung der Loggiaschwellen

Zur Schaffung eines barrierefreien Zuganges zu den Loggien können die Schwellen von Plattenbauten herausgeschnitten werden, ohne die Tragfähigkeit der Wände zu gefährden. Allerdings ergeben sich hohe Folgekosten durch den erforderlich werdenden Austausch der Tür/ Fensterkonstruktion und durch die Angleichung der Fußbodenhöhe auf der Loggia an die des Wohnraumes. Außerdem muss die neue Konstruktion sichern, dass das anfallende Regenwasser schnell abgeleitet werden kann.

Umbaumaßnahmen im Bad

Hauptkritikpunkt innerhalb der Wohnung sind die Bäder. Nach ihrer Lage im Gebäude werden die Bäder unterschieden in Innenbäder ohne Fenster und Außenbäder mit Fenster. Beide Badtypen haben zu wenig Bewegungsflächen sowie unzulängliche Stellflächen für Waschmaschinen bzw. gar keine. Deshalb ist eine funktionelle Verbesserung ohne Vergrößerung der Bäder sehr schwierig. Nach unseren Erkenntnissen ist es aus bauwirtschaftlichen und wohnungswirtschaftlichen Gründen auch nicht sinnvoll, eine große Anzahl von Bestandswohnungen in den Plattenbausiedlungen nach den Forderungen der Norm -Barrierefreie Wohnungen- umzugestalten. Das ist auch deshalb nicht notwendig, weil es ältere Menschen ohne Mobilitätsbeeinträchtigungen gibt, die mit einem niedrigeren Standard auskommen. Ein wichtiges Kriterium ist die Bezahlbarkeit der Wohnung.

Durch neue Anordnung der Sanitärobjekte bei sinngemäßer Anwendung der DIN 18022 (Küchen, Bäder und WC´s im Wohnungsbau; Planungsgrundlagen) sind vertretbare Kompromisslösungen für Innenbäder und Außenbäder möglich. Eine barrierefreie Umgestaltung der Bäder nach DIN 18025 und aktuell nach DIN 18040, Teil 2 erfordert umfangreiche bauliche Maßnahmen. So sind Trennwände zu versetzen und Sanitärraumzellen bei Plattenbauten zu demontieren. Ein neuer Fußbodenaufbau ist erforderlich. Die auch nach DIN 18040, Teil 2 geforderte bodengleiche Dusche ist wegen der geringen Fußbodenhöhe (3-4 cm) in den Obergeschossen nur sehr kostenaufwendig zu realisieren. Es gibt aber bereits Beispiele, wo bodengleiche Duschen sowohl in Innenbädern als auch in Außenbädern ohne Veränderung der Badfläche eingeordnet wurden. Bei einem erforderlichen Eingriff in die vorhandene Deckenkonstruktion ist eine Überprüfung der Tragfähigkeit, insbesondere der Spannbetondecken bei Plattenbauten, notwendig.

Schaffung von barrierefreien Wohnungen

Bei der barrierefreien Umgestaltung von Wohnungen sind die nachfolgenden Rahmenbedingungen zu beachten:

  • Städtebauliche und wohnungswirtschaftliche Forderungen
  • Bautechnische und bauphysikalische Forderungen
  • Modernisierung im bewohnten oder unbewohnten Zustand
  • Wohnungsgemenge, Bedarf an barrierefreien Wohnungen
  • Wohnungsausstattung, insbesondere für Rollstuhlbenutzer
  • Mietermitbeteiligung
  • Kostenrahmen
  • Fördermöglichkeiten und Finanzierungsmöglichkeiten
  • Miethöhe nach Modernisierung

Die Anforderungen an barrierefreie Wohnungen sind in der z.Z. aktuellen Norm: DIN 18040 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen Teil 2: Wohnungen festgelegt.

Wohnungen in Wohngebäuden der Plattenbauweise sind in der Regel nicht barrierefrei, insbesondere die Wohnungen in den Obergeschossen der 4- bis 6-geschossigen Wohngebäude ohne Aufzug. Es ist jedoch möglich, durch Anordnung eines Aufzuges, der Voraussetzung für den barrierefreien Zugang zu den Wohnungen ist, Wohnungen dann auch barrierefrei und/ oder rollstuhlgerecht umzugestalten.

Eine barrierefreie Umgestaltung einer Wohnung kann, bei entsprechendem Bedarf, auch als Einzelmaßnahme noch nach einer Grundsanierung durchgeführt werden.

Barrierefreie Wohnungen sollten bei entsprechendem Bedarf in die vorhandenen Gebäude eingeordnet werden. Es gibt bereits Beispiele für eine im Vergleich zum Wohnungsneubau kostengünstige rollstuhlgerechte Umgestaltung von Bestandswohnungen im Erdgeschoss.

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Autorinfo

Alles barrierefrei bauen

Frau Dipl.-Ing. Helga Baasch

16761 Hennigsdorf OT Stolpe-Süd

Zusatzinfo

Das hier veröffentlichte Referat wurde von Frau Baasch am 27. Februar 2004 auf dem Symposium der Technische Universität Berlin "Barrierefreies Planen und Bauen als interdisziplinäres Handlungsfeld" gehalten. Sie hat es im April 2014 überarbeitet. Das Thema ist nach wie vor aktuell.

Die WBS 70 wurde von 1972 bis 1990 in den Bundesländern Mecklenburg- Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und Berlin(O) gebaut. Von den rund 1,52 Millionen errichteten Wohnungen (Wohneinheiten = WE) in Plattenbauweise bis 1990 ist der Typ WBS 70 mit insgesamt 644 900 Wohneinheiten und einem Anteil von etwa 42 Prozent am weitesten verbreitet.

Broschüre:
Neue Wohnqualität für die WBS 70 - Modernisierung für generationenübergreifendes Wohnen

Titelbild der Broschüre Modernisierung für generationsübergreifendes Wohnen mit Grundriss

Auszug: Rollstuhlgerechte Nutzung

Tipps

Senkrechtaufzug

Senkrechtaufzug

mit Förderhöhe bis 30m und Tragfähigkeit bis 630kg, mit Kabine

KfW Fördermittel Wohnungen