Inklusion in Kindergärten und an Schulen
Anspruch auf barrierefreien und gleichberechtigten Zugang zu Kita und Schule für Kinder mit Behinderung.
Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sollen das Recht auf einen Platz in einer allgemeinen Schule erhalten, in der sie gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung lernen.
Inklusion in Kindergärten und an Schulen
Seit 26. März 2009 gilt in Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung (Behindertenrechtskonvention, BRK). Der Artikel 24 ist dem Thema "Bildung" gewidmet und fordert unter anderem die Sicherstellung, dass "in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration [Inklusion] wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen [...] angeboten werden." Dies fördere die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung.
Welche Auswirkungen hat das für die planenden Architekten, für Entscheidungsträger öffentlicher Einrichtungen aber auch für die zuständigen Kultusministerien der Länder und deren Konferenzen? Wie weit ist die Politik derzeit mit der Umsetzung der Konvention im Bereich Kindergärten und Schulen? Welche Richtlinien und Normen gelten beispielsweise bezüglich der Zugänglichkeit und der Raumakustik? Worauf sollten Eltern achten, wenn Sie daran denken, Ihr beeinträchtigtes Kind auf eine inklusive Schule zu schicken?
Es reicht nicht, nur mehr besonders geschulte Lehrkräfte und Erzieher einzustellen
Damit sind die Ziele zunächst politisch definiert. In erster Linie - so scheint es - soll die Gleichberechtigung von beeinträchtigten und nicht beeinträchtigten Kindern über die zahlenmäßige Stärkung des Erziehungspersonals und qualifiziert ausgebildeter Lehrer erreicht werden. Ebenso wichtig wie die vermittelten Inhalte sind aber auch die äußeren Bedingungen, unter denen Kinder lernen und sozialisiert werden:
Die Zugänglichkeit der Räume beginnt mit entsprechenden Behindertenparkplätzen für Eltern und Lehrer vor der Schule. Sie erstreckt sich über rollstuhlgerechte Eingänge ins Gebäude sowie in die Klassenzimmer über Aufzüge bis hin zur kontrastreichen Farbgestaltung von Markierungen auf Glasflächen oder am Fußboden für Sehbehinderte. Welche Konsequenzen aber ergeben sich daraus konkret für die planenden Architekten?
Zugänglichkeit der Räume
Für den Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) spielen Einrichtungen des Bildungswesens/Kindergärten eine Schlüsselrolle bei der Inklusion. Nach der Richtlinie VDI 6008 Blatt 4 (Aufzugs- und Hebetechnik) gilt: "In Bildungseinrichtungen für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche sind besondere Anforderungen an die Sicherheit der Anlagen zu stellen. Hier kann es sinnvoll sein, auch geringe Höhenunterschiede mit Hebezeugen nach Aufzugsrichtlinie zu überbrücken. In Bildungseinrichtungen für Kleinkinder, Kinder und Jugendliche sind besondere Anforderungen an die Sicherheit der Anlagen zu stellen. Hier kann es sinnvoll sein, auch geringe Höhenunterschiede mit Hebezeugen nach Aufzugsrichtlinie zu überbrücken.
- Bei Neubau sind Aufzüge nach Aufzugsrichtlinie vorzusehen.
- Bei Bestandsgebäuden können bei nachträglichen Anpassungen Aufzüge nach Maschinen-Richtlinie eingebaut werden. Besondere Sicherheitsvorkehrungen beachten (Verletzungsgefahr)
- kleine Aufzugskapazität, da hauptsächlich Treppennutzung
- Schlüsselschaltung zum Schutz gegen Verletzungsgefahr und Vandalismus
- Gegebenenfalls ist eine Begleitung einzelner Schüler beim Höhentransfer sicherzustellen."
Die Realität am Beispiel Raumakustik - Gutachten bestätigen oft mangelhafte Zustände
Die jeweiligen Landesbauordnungen regeln grundsätzlich, dass bestimmte Richtlinien beim Bau oder Umbau von Kindergärten und Schulen eingehalten werden.
Wie nun ein Neubau oder Umbau konkret erfolgt, sagen die DIN 18040-1 (öffentlich zugängliche Gebäude) sowie die DIN 18041 Hörsamkeit in kleinen und mittleren Räumen.
Der Akustik-Experte und nullbarriere-Autor Carsten Ruhe hat in zwei Untersuchungen die Raumakustik von Schulen und Kindertagesstätten analysiert. Seine statistischen Erhebungen zu 150 Modernisierungsprojekten beziehungsweise Umbauprojekten von Klassenräumen zeigen, dass die akustische Situation häufig mangelhaft ist. Oft fehle es schon an den notwendigen finanziellen Mitteln, um die Bedingungen des rauhen Schulalltags für nicht beeinträchtigte Schüler baulich zu optimieren. Ganz zu schweigen von der Idee, hier für einen hörgeschädigten Menschen gute Bedingungen zu schaffen. Die Nachhallmessungen ergaben auch in allen untersuchten Kindertagesstätten, dass die Schallpegel infolge zu geringer Schallabsorption der raumbegrenzenden Flächen unnötig und unerwünscht hoch waren.
Beispiele für Inklusion auch in Küchen und Sanitärräumen
Sowohl in den Kindergärten als auch in Schulen gilt es, bei der Planung von Baumaßnahmen und Umbaumaßnahmen künftig nicht nur in Klassenzimmern und Aufenthaltsräumen oder Spielzimmern auf Barrierefreiheit zu achten. An höhenverstellbaren Kochtischen können alle Kinder beispielsweise grundsätzlich sicherer arbeiten. Auch bei der Einrichtung von Sanitärräumen gilt es jedoch neben der üblichen Merkmale wie Höhe und Sicherheit der einzelnen Objekte daran zu denken, dass eben ein sehbehindertes Kind und ein Rollstuhlfahrer spezielle Bedürfnisse haben, die von der allgemeinen Norm abweichen. Der Verein Deutscher Ingenieure hat dazu die Richtlinie VDI 6000-6 herausgegeben.
Wie weit sind wir wirklich?
Die Umsetzung schulischer Inklusion nach der UN-Behindertenrechtskonvention in den deutschen Bundesländern
Eine Reihe von Bundesländern verletzt systematisch die Anforderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zur Schaffung eines inklusiven Bildungssystems. Während Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein bei der Umsetzung der Inklusion in den Schulen deutlich vorangekommen sind, findet diese in den meisten anderen Bundesländern nur unzureichend statt. Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sind weitgehend untätig geblieben oder verzeichnen seit Geltung der UN-Konvention 2009 sogar Rückschritte. So gibt es beispielsweise keine öffentliche Statistik in den Ländern, wie viele Schulgebäude bereits barrierefrei sind.
Welche Anpassungen im schulischen Umfeld als angemessene Vorkehrungen erforderlich sind, lässt sich nur mit Blick auf einzelne Formen von Behinderungen und individuelle Bedarfe beantworten. Für Kinder mit einer körperlichen Beeinträchtigung kann es beispielsweise nötig sein, die barrierefreie Zugänglichkeit der Schuleinrichtungen durch den Einbau von Rampen, elektronischen Türöffnern und Aufzügen zu gewährleisten. Für sehbehinderte oder blinde Kinder müssen gegebenenfalls entsprechende Schwellen und Leitsysteme vorgesehen werden, die ihre Orientierung im Gebäude ermöglichen, Lesegeräte angeschafft und Unterrichtsmaterialien in vergrößerter Form oder auch in Blindenschrift zur Verfügung gestellt werden. Für hörbeeinträchtigte Schüler:innen wiederum müssen Unterrichtsinhalte visualisiert werden, während für geistig beeinträchtigte Kinder vereinfachte, d.h. ihren Wahrnehmungsfähigkeiten angepasste Darstellungsformen von Inhalten vorzusehen sind (z.B. in "einfacher Sprache"). Dabei ist anzumerken, dass nicht jede Schule entsprechende Vorkehrungen für jede Form von Behinderungen treffen muss. Zur Erfüllung des Art. 24 UN-BRK ist vielmehr erforderlich, dass zumindest eine wohnortnahe, d.h. gut erreichbare Regelschule ein entsprechendes Angebot vorhält. So können sich Schulen auf die Inklusion von Schüler:innen mit besonders unterstützungsintensiven Behinderungsarten spezialisieren. Quelle: Studie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung Herbst 2021
Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat von 2018 -2023 zum zweiten Mal die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Deutschland geprüft. Zum Abschluss des 2. Staatenprüfverfahrens wurden die "Abschließenden Bemerkungen" am 08.09.2023 veröffentlicht. Der Ausschuss bemängelt die Hindernisse, auf die Kinder mit Behinderungen und Eltern stoßen, wenn sie in Deutschland eine Regelschule besuchen möchten. Er empfiehlt einenumfassenden Plan zur Beschleunigung des Übergangs von der Sonderschule zur integrativen Bildung auf Länder- und Gemeindeebene zu entwickeln und Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen zur Förderung der integrativen Bildung durchzuführen. Um sicher zu stellen, dass Kinder mit Behinderungen Regelschulen besuchen können, müsse unter anderem die Zugänglichkeit verbessert und eine Anpassung an alle Arten von Behinderungen vollzogen werden. Quelle: Concluding observations on the combined second and third periodic reports of Germany
Was Eltern beim Schulwechsel beachten sollten
Im Bereich der Richtlinien, Landesbauordnungen und Normen ist für Planer - abgesehen von den meist noch leeren Kassen - immerhin ein Prozess in Gang gekommen, der jedoch bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Im Moment sollten betroffene Eltern sehr darauf achten, dass bei dem Wechsel in einen inklusiven Kindergarten oder auf eine ebensolche Schule tatsächlich auch alles Denkbare bereits umgesetzt oder zumindest in konkreter Planung ist.
Was Architekten/ Planer, Schulen und Kitas beim Neubau oder Umbau beachten sollten
Behindertengerechter Kfz-Stellplatz/Außenanlagen
Ein Behindertenparkplatz mit entsprechender Stellplatzfläche ist für Rollstuhlfahrer aber auch für Eltern, die einen Kinderwagen ausladen, bequem.
Außenanlagen
Außengelände/Spielbereiche
In Kitas müssen Spielbereiche im Freien direkt zugeordnet und zur Verkehrsfläche abgesichert sein. Es sollten pro Kind 10 qm Bewegungsfläche zur Verfügung stehen.
Spielbereiche
Rampen aus Metall
Rampen mit einer maximalen Steigung von 6% zur Überwindung von Zwischenstufen müssen eine nutzbare Breite von mindestens 1,00 m aufweisen. Handläufe und Geländer erhöhen die Sicherheit.
Rampen aus Metall
Handlauf
Handläufe führen durchlaufend an Treppenauge oder Rampenauge, Zwischenpodesten und über Fensteröffnungen, Heizflächen und ähnliches hinweg. Insbesondere in Schulen und Kindergäretn empfeheln sich doppelte Handläufe mit Griffhöhen für Erwachsene wie auch Kinder.
Kindgerechte Handläufe
Senkrechtaufzüge
Im Neubau mit Geschossebenen müssen Aufzüge mindestens dem Typ 2 der DIN EN 81-70 entsprechen. Bei Umbaumaßnahmen kommen auch Senkrechtlifte zum Einsatz.
Senkrechtaufzüge
Hebebühnen
Hebebühnen sind zum senkrechten Transport von RollnutzerInnen, Kindern und Jugendlichen mit Mobilitätseinschränkungen oder auch Kinderwagen bei geringen Hubhöhen bis ca. 3m sinnvoll.
Mobile Hebebühnen können z.B. am Podium in der Schul-Aula eingesetzt und bei Nichtgebrauch im Abstellraum verstaut werden.
Hebebühnen bis 1m
Hebebühnen bis 3m
Türen
Türen sollten leicht zu öffnen sein (Türantriebe, Obentürschließer).
Türaufschläge zur Wand gefährden Kinderhände. Quetschstellen und Scherstellen sind mit Klemmschutzvorrichtungen an der Bandseite oder der Gegenbandseite von Türen zu sichern.
Türantriebe, Klemmschutz
Rutschhemmende Bodenbeläge
Bodenbeläge müssen rutschhemmend, sinngemäß mindestens R 9 nach BGR 181 und fest verlegt sein; dies gilt für Eingangsbereich, Treppen und Flure von Kindertagesstätten und Schulgebäuden, wo Kinder in der Pause rennen und spielen, aber auch für Gruppenraum, Pausenraum und Schulbüro.
Rutschhemmende Bodenbeläge
Küchen, Schulküchen
Oberschranklifte, Arbeitsplattenlifte und höhenverstellbare Tische ermöglichen Kindern, kleinen Menschen und Rollstuhlfahrern das Arbeiten und Mithelfen in Schulküchen, Lehrküchen und beim gemeinsamen Kochen.
Kochen mit Kindern
Höhenverstellbare WC-Anlagen und Waschtische
Elektromotorisch oder manuell höhenverstellbare WC-Lifter und Waschtische erleichtern Kindern/ Schülern mit Rollstuhl und Menschen mit unterschiedlichen Größen das Benutzen.
Toiletten und WC-Lifter
Waschtische, Waschtischlifter
Armaturen, Thermostate für Waschtisch und WC, Sensorarmaturen für berührungslose Bedienung, kontrastreiche Armaturen
Armaturen für Waschtisch, Dusche und Wanne
Höhenverstellbare Wickeltische
Bei tief absenkbaren Wickeltischen können größere, mobilere Kinder den Wickelplatz eigenständig besteigen. Um Platz zu sparen, bieten sich Wickeltische zum hochklappen an.
Höhenverstellbare Wickeltische, Duschliegen
Rettungsgeräte für den Notfall
Treppenraupen sind für die Evakuierung von Rollstuhlfahrern geeignet. Bei nicht Vorhandensein eines gebauten 2. Rettungsweges/ Treppe aus Obergeschossen ist ein Rettungsschlauch geeignet.
Rettungsgeräte
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