Öffentlicher Freiraum Berlin
Anforderungen für den Öffentlichen Freiraum Berlin
Auszug aus dem Handbuch Design for all - Öffentlicher Freiraum Berlin
Mit dem Handbuch Design for all - Öffentlich zugängliche Gebäude hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen für öffentlich zugängliche Gebäude ein Planungswerkzeug herausgegeben, das viele Fragen der Barrierefreiheit bereits im Vorfeld der Planung abhandelt.
Doch wie sehen unsere Plätze und Parkanlagen, unsere Uferwege oder gar Spielplätze und Friedhöfe aus? Das hier vorgestellte Handbuch "Design for all - Öffentlicher Freiraum Berlin" setzt die Ziele fort und beschreibt die Anforderungen für den Öffentlichen Freiraum. Es soll einheitliche und klare Vorstellungen für die Vergabe von Bauaufträgen als Qualitätsmerkmale geben, die mit Konsequenz und Kreativität umzusetzen sind.
Das entspricht ganz dem Inklusionsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention. Die vorliegenden Planungsgrundlagen für den öffentlichen Freiraum sind bereits aus dieser Perspektive verfasst.
Berlin hält damit ein Grundlagenwerk für eine Baukultur bereit, die soziale Nachhaltigkeit, Vielfalt und Ästhetik mit einbezieht und damit auf künftige demographische oder Lifestyle-Entwicklungen ausgerichtet ist.
Ziel und entscheidender Grundsatz bei allen Neu- und Umgestaltungen in der Stadtlandschaft soll eine barrierefreie Ausrichtung bzw. Gestaltung im Design for all sein.
Inhalt
- Freiraum für alle
- Gesetzliche Grundlagen
- Bauelemente
- Ausstattungen
- Ausgewählte Freiräume
Auszug aus dem Handbuch "Design for all - Öffentlicher Freiraum Berlin"
3. Bauelemente
Auch wenn es sich bei Bauelementen des öffentlichen Freiraums wie Oberflächen, Treppen, Rampen und Aufzügen um Elemente handelt, die auch bei öffentlichen Gebäuden vorgefunden werden, sind die Parameter für die Gestaltung verschieden.
Entscheidend bei allen Bauelementen ist eine kontrastreiche und selbsterklärende Gestaltung, d.h. eine funktionale und gestalterische Aussage im Sinne des Design for all.
In Tabelle 1 werden ausgewählte Oberflächen ihren qualitativen Eigenschaften gegenübergestellt und entsprechend ihrer Barrierefreiheit bewertet.
barrierefrei | |||||
---|---|---|---|---|---|
Oberflächen | Ausführung | Qualitätsmerkmale | Anmerkungen | ja | nein |
Betonstein |
· gemäß AV Geh- und Radwege
· Steine ungefast/ Minifase |
· gut befahrbar · rutschfest1 · strapazierfähig, witterungsbeständig |
· ungefaste Steine bzw. Steine mit Minifase sind zu bevorzugen2 | ||
Betonverbundstein | · im Verbund | · breite Form- und Farbpalette | x | ||
Porenpflasterstein | · wasser- und luft- durchlässig | x | |||
Platten aus Beton | · breite Form- und Farbpalette | · geringer Fugenanteil | |||
Rasengitterstein | · Öffnungen individuell |
· Rollwiderstand hoch · nicht befahrbar |
· nicht im Bereich von Wegen | x | |
Pflasterziegel
und Pflasterklinker |
· gemäß AV Geh- und Radwege · scharfkantig oder gefast · Klassifizierung nach Abrieb, Rutschwiderstand und Festigkeit |
· gut befahrbar · rutschfest · strapazierfähig, witterungsbeständig · breite Form- und Farbpalette |
x x |
||
Naturstein3 |
· gemäß AV Geh- und Radwege · gespalten · gesägte Oberfläche · enge Fugen |
· rutschfest · reiche Farbpalette nach Natursteinvorkommen |
|||
Mosaikpflaster |
· Format 50x50 mm · meist Granit- oder Kalkstein · individuelle Muster |
· gut befahrbar · taktil |
x | ||
Kleinpflaster4 | · Format 90x90 mm |
· gut befahrbar · taktil |
· ergänzende Befestigung, Strukturierung |
x | |
Großpflaster |
Format 160x160 mm (bis 220x160 mm) bzw. 120x120 mm (bis 180x130 mm) · gesägte Oberfläche empfohlen |
· gut befahrbar · taktil |
|||
Platten | · leicht befahrbar | · geringer Fugenan- teil | x | ||
Kopfsteinpflaster5 (meist historisch) |
· unbearbeitet (rund, krumm, uneben) |
· Rollwiderstand hoch · nicht befahrbar |
· nicht im Bereich von Wegen | x | |
Wassergebundene Decken |
· gemäß AV Geh- und Radwege - Teil B II (8) | ||||
Splitt (feinkörnig) |
· Längsneigung ≤ 6%, andernfalls Erosion der Decke durch Oberflächenwasser6 |
· gut befahrbar; beschränkt bei Nässe · gute Griffigkeit · taktile und akustische Merkmale · breite Farbpalette |
· nicht unmittelbar mit taktilen Leitelementen im Boden oder Stufen kombinieren7 | x | |
Sand, Kies, Schotter |
· lose, geschüttet |
· Rollwiderstand hoch · nicht befahrbar · taktil |
· nicht im Bereich von Wegen | x | |
Rindenmulch |
· befestigt |
· Rollwiderstand hoch · nicht gut befahrbar · taktil |
x | ||
Offene Decken |
· wasser- und luftdurchlässig |
· leicht befahrbar · rutschfest · strapazierfähig, witterungsbeständig |
· Querneigung kann auf 1% reduziert werden | x | |
Offenporiger Asphalt |
· TL Asphalt-StB 07, ZTV Asphalt-StB 07 | · breite Struktur- und Farbpalette | x | ||
Binder-Splitt-Gemisch |
· Epoxidharz-Binder |
· breite Farbpalette · akustische Merkmale |
x | ||
Geschlossene Decken |
· wasserdicht | · leicht befahrbar | · Querneigung ≥ 1% bis max. 2% | ||
Asphalt8: Gussasphalt |
· TL Asphalt-StB 07, ZTV Asphalt-StB 07 |
· gute Griffigkeit · breite Struktur- und Farbpalette |
x | ||
Walzasphalt |
· Splittmastixasphalt bzw. Asphaltbeton | x | |||
Betondecken9 |
· TL Beton-StB 07, ZTV Beton-StB 07 |
· starre, hoch feste Oberfläche · Strukturen je nach Bearbeitung · eingeschränkte Farbpalette |
x | ||
Kunststoffbeläge |
· wasserdurchlässig oder · wasserdicht - größeres Gefälle erforderlich (max. 2%) |
· breite Farbpalette | |||
fester Belag |
· gut befahrbar | x | |||
flächenelastischer Belag |
· gut befahrbar | x | |||
punktelastischer Belag |
· Rollwiderstand hoch · nicht gut befahrbar |
x | |||
Rasen |
· eben | · Rollwiderstand hoch | · Flächen für seltenes Befahren | x | |
Holz |
· fugenarme Verlegung · Rillenstruktur · mit Gefälle |
· gut befahrbar · gute Griffigkeit · bei Nässe und Laub Rutschgefahr! |
· Teilbereiche (nur in Ergänzung mit anderen Materialien oder Überdachung) | x | |
Metall |
· Gitterweite max.
12x12 mm - empfohlen 8 mm · breite Stegoberfläche, profiliert · profilierte Oberfläche, nicht scharfkantig |
· erhöhter Rollwiderstand · gut befahrbar bei feinmaschigen Gitter · gute Griffigkeit · bei Nässe und Laub Rutschgefahr! |
· Teilbereiche (nur in Ergänzung mit anderen Materialien oder Überdachung) · großflächige Gitter können Verunsicherungen hervorrufen |
x |
4.1. Orientierung
Im öffentlichen Freiraum sollte primär auf eine intuitive Orientierung abgezielt werden, die z.B. durch Individualität eines Platzes oder einer Architektur erreicht werden kann.
4.1.1. Optische Gestaltung
(Kap.I, 2.1.2. Sehen)
Kontrast, Helligkeit, Farbe und Form sind die wesentlichen Bestandteile der optischen Gestaltung unserer baulichen und technischen Umwelt. Bessere Kontraste im öffentlichen Freiraum erhöhen nicht nur die Mobilität von sehgeschädigten Menschen, sondern erleichtern auch allen anderen Nutzerinnen und Nutzern die Orientierung.
Leuchtdichtekontrast bezeichnet den Unterschied von der Helligkeit eines Objektes zu seinem Hintergrund.
Farbkontrast unterscheidet sich durch die farbliche Gestaltung von Objekt und Hintergrund und liefert so zusätzliche Informationen für die Orientierung.
Die Leuchtdichte und die Ausbildung von Kontrasten werden auch durch die Oberfläche der Materialien beeinflusst. Die Orientierung im öffentlichen Freiraum kann durch konkurrierende Kontraste, Farbkombinationen und Formen beeinträchtigt werden!
4.1.2. Taktile Gestaltung
(Kap.I, 2.1.2. Tasten)
Bei der Gestaltung von Oberflächen ist es für sehbehinderte Menschen hilfreich und für blinde Menschen notwendig, dass ausgewählte Materialkombinationen neben einem ausreichenden Helligkeitskontrast auch einen wahrnehmbaren Rauigkeitskontrast aufweisen.
Insbesondere zum Straßenraum niveaugleich angelegte Plätze erfordern einen Bodenbelag, dessen Material und Art der Verlegung dem blinden oder sehbehinderten Menschen Informationen über die Gestaltung und Ausstattung des Platzes und seinen Bezug zur unmittelbaren Umgebung vermittelt.
Bekannte Gestaltungselemente und Strukturen wie z.B. Pflastersteine oder Metallelemente eignen sich sehr gut.(Tabelle 1)
Orientierungshilfen oder Blindenleitsysteme, die die Funktion der Warnung und Leitung erfüllen sollen, sind vorrangig nur dort einzusetzen, wo
- ein hohes Sicherheitsbedürfnis (an Gefahrenpunkten),
- eingeschränkte Übersichtlichkeit oder
- gezielter Führungsbedarf bestehen.
Spezielle Bodenindikatoren (Bodenelemente mit einem hohen taktilen, akustischen und optischen Kontrast zum angrenzenden Bodenbelag) vermitteln je nach Art der Verlegung und Kombination blinden Menschen gezielte Informationen (AV Geh- und Radwege, E DIN 32984). Ihre einheitliche Struktur mit Wiedererkennungswert ist Voraussetzung für eine effektive Nutzung.
Das Handbuch ist zu beziehen über die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen als Download abrufbar: