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Barrierefreie Rettungswege und Selbstrettung - auch in DIN 18040 / § 33 MBO weiterhin ungelöst

leuchtendes Leitsystem im dunklen FlurThoms Rettungsschlauch hängt von einem Hochhausfenster runterRauchmelder an der Decke

Grundlage

Das Benachteiligungsverbot des Grundgesetzes und des Gleichstellungsgesetzes fordert die aktive Gleichstellung für Behinderte [Art. 3 GG] und Familien , [Art. 6 GG] dh. Kinder, Eltern, Senioren gegenüber wirtschaftlichen, städtebaulichen und Lobby-Interessen und bindet die staatliche Gewalt. Vgl. Art 1 (3) GG[Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt]

Behindertengleichstellungsgesetz BGG § 4 Barrierefreiheit

"Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen mit in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind."

Bauordnungen und technische Regeln:

Der Entwurf zur DIN 18030E hatte noch den Punkt 4.11 Rettungswege, dieser wurde im Entwurf der neuen DIN 18040 Punkt 4.4 Warnen/Orientieren/Informieren/Leiten wieder aufgegriffen und um das "2-Sinne-Prinzip" konkretisiert - aber auch dieser Entwurf klammert die Frage der konkreten Selbstrettung und der 2 Fluchtwege gemäß § 33 Erster und Zweiter Rettungsweg nach der Musterbauordnung (MBO) der Länder - für Menschen mit Behinderung aus.

Die vorgenannten Anforderungen des Rettungsweges § 33-36 MBO - berücksichtigen jedoch bisher nicht die Barrierefreiheit nach BGG § 4 Und Art 3 GG.

Barrierefreie Rettungswege und Selbstrettung XYZ-ungelöst...

Das bedeutet, dass die Verfasser der Texte der oben genannten §§ nicht berücksichtigt haben, dass Bewohner, Nutzer, Beschäftigte oder Besucher eines Gebäudes oder baulichen Anlage - in ihren sensorischen, kognitiven oder motorischen Fähigkeiten im Brandfall und Kathastrophenfall eingeschränkt, also "behindert" sein können - obwohl die Nutzung und das Barrierefreie Bauen gemäß § 48 MBO ausdrücklich für alle Menschen inzwischen Planungsgrundlage für alle Neubauten und größeren Sanierungs- und Umbaumaßnahmen ist.

Dieser Personenkreis wird deshalb mit juristischen Winkelzügen - in der neuen DIN 18040 Punkt 4.7 Alarmierung und Evakuierung kurzerhand "zur Eigenrettung nicht fähigen Menschen" erklärt !

Ein seit Jahren bekannter dialektischer Widerspruch - auch im DIN-Ausschuss und eine lebensgefährliche Sicherheitslücke mit verfassungs- und strafrechtlicher Relevanz !

Unter der Punkt 4.7 Alarmierung und Evakuierung der DIN 18040 wird auf nicht näher definierte Brandschutzkonzepte verwiesen, welche die Belange von Menschen mit motorischen und sensorischen Einschränkungen berücksichtigen sollen.
Menschen mit Behinderung wird in öffentlichen Gebäuden und baulichen Anlagen die Selbstrettung und der 1.Rettungsweg verwehrt und es werden ausnahmslos alle Rollstuhlfahrer "zur Eigenrettung nicht fähigen Menschen" erklärt und auf "Bereiche für den Zwischenaufenthalt" verwiesen.

Dies mag sicher sinnvoll für bettlägrige Patienten in Krankenhäusern und Pflegeheimen sein, welche ja tatsächlich nicht zur Eigenrettung ohne fremde Hilfe fähig sind, aber wird hier nicht ein Ausnahmefall zur Regel und so Rechts- und Sicherheitsstandards 2.Klasse geschaffen ?

Brandschutzkonzepte und Fachliteratur

Aus der Praxis ist bekannt, das solche Brandschutzkonzepte vom Planer der örtlichen Feuerwehr vorgelegt werden, welche mangels Bewusstsein für die Belange für Menschen mit Behinderung, Senioren und Eltern mit Kleinkindern und fehlender Qualifikation oder DIN-Vorgaben vgl. DIN 18040 oder DIN EN 81-70 Aufzugsanlagen in der Regel nur die Selbstrettungs-Konzepte hinsichtlich von Menschen ohne Handikap abprüfen.

Der Rettungsplan ist inhaltlich in der Regel nicht auf die eingeschränkte Mobilität und Sinneswahrnehmung von Behinderten, Senioren und Eltern mit Kleinkindern ausgelegt.

In den Brandschutzkonzepten funktioniert so der 1.Fluchtweg dh. die Selbstrettung ins Freie sowie der 2.Fluchtweg zumeist nur für Nichtbehinderte und verstößt damit gegen § 33 MBO und den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung sowie BBG § 4.

Auch im Geltungsbereich der DIN 18024 Teil 1 Straßen, Plätze, Wege, Öffentliche Verkehrs- und Grünanlagen sowie Spielplätze und im Bereich des ÖPNV werden die Rettungswege obwohl Planungsgrundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVFG z.B. im Tunnelbereich nicht beachtet. Die Fluchtwegbreiten liegen hier oft unter 90 cm !

Auch die einschlägige Brandschutz-Software und Brandschutz-Literatur kennt die Problematik der Selbstrettungs-Konzepte und Fluchtwege über mehrere Geschosse in öffentlichen Gebäuden und Wohnungen nicht, obwohl die barrierefreie Erschließung nach § 48 MBO - dies ja im Rahmen der gesamtplanerischen Verantwortung und Haftung erforderlich macht.

Es wird übersehen, das jedes Treppenhaus und jeder nichtfunktionierende Aufzug im Brandfall zur unüberwindlichen tödlichen Falle werden kann.

Auch verschlossene Brandschutzabschnitte und Brandschutztüren in öffentlichen Gebäuden - mit funktionierendem Fluchtleitsystem im "Zwei-Sinne-Prinzip" nach DIN 18040-1 Punkt 4.4 ausgestattet - aber ohne nachträgliche elektrische Öffnungsautomatik für Menschen mit Behinderung, Senioren und Eltern mit Kleinkindern können so zu tödlichen Fallen werden.

Haftung und Entbürokratisierung

In der Regel werden Brandschutzkonzepte und die Barrierefreiheit gemäß § 48 MBO der Länder auch nicht mehr durch die Baugenehmigungsbehörde geprüft, Ausnahme Sonderbauten, sondern wurden im Rahmen der sogenannten. "Entbürokratisierung" - damit gesamthaftnerisch auf die Planer und Architekten übertragen.

Ein nachträglicher hilfreicher Rat und Check durch die Stadt- und Kreisbaumeister entfällt.
Dies führte in der Zwischenzeit zu einem Anstieg der Haftpflichtbeiträge - und hatte den Rückzug vieler Anbieter der Versicherungsbranche aus der Architektenhaftpflicht zur Folge.

Ausblick und Lösungen im Sinne der Barrierefreiheit

"Wo ein Wille ist, da ist ein Weg" oder "Für einen Ingenieur ist nichts zu schwe(ö)r !" ;-)

Ist es allso nicht pure Ignoranz und Resignation vor schöpferischen planerischen Architektenaufgaben, wenn aus "Rentabilität" die sogenannte "Einrichtung brandgesicherter Bereiche für den Zwischenaufenthalt stark Mobilitätsbehinderter" festgelegt werden - obwohl längst nachgewiesen wurde, dass "Barrierefreies Bauen" bei entsprechender Planung kostenneutral ist und es gute Lösungen zur Selbstrettung auch für Menschen mit Rollstuhl gibt ?!

Kostenuntersuchungen der Bayerischen Architektenkammer und TH Zürich haben nachgewiesen, das Barrierefreies Bauen kostenneutral ist und etwa der Kostengruppe für die Baureinigung entspricht. Je größer die Bausumme, desto geringer sind übrigens die Kosten für den Barrierefreien Bereich.

Ein guter Architekt wird also um Kosten zu sparen und sein Gebäude für alle Menschen und Lebensalter nutzbar und maßgerecht zu gestalten diese Aspekte schöpferisch integrieren.

Es ist doch unzumutbar und diskriminierend Behinderte in "brandgesicherten Bereichen" zu isolieren und ihnen die Selbstrettung dh. den 1.Fluchtweg zu entziehen.

Traumatische Erlebnisse, sowie verfassungswidrige, zivil-, straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen werden hier ignoriert und verdrängt. Die Rollstuhlfahrer und Behinderten können im Brandfall verbrennen oder ersticken, was sehr häufig geschieht, da die "brandgesicherten" Bereiche nur den 2.Fluchtweg, durch die benachrichtigte Feuerwehr gewährleisten können. Im Chaos eines Brandfalles bei dem es um Sekunden geht, ist das meist zu schon spät.

Wer die Medienberichte der Todesfälle im Brandfall betrachtet wird auf Bettlägerige, Gehbehinderte, Blinde und Rollstuhlfahrer stoßen, die meist als Todesopfer trotz 2.Fluchtweg in öffentlichen Gebäuden zu beklagen sind und im Brandfall ihrem "Schicksal" überlassen werden, da die Hilfskräfte sich trotz Rettungskonzept personell nicht um alle Betroffenen kümmern können oder die Feuerwehr zu spät eintrifft.

Ein "Feuerwehraufzug" in einem sogenannten "Sicherheitstreppenhaus", oder durch "Rauchdichte" bzw. F30 Türen abgeschirmter Bereiche, um einen modifizierten Standardaufzug sind hier denkbar, wenn die Verantwortlichen bereit sind barrierefreie Rettungswege zu schaffen.

In Absprache zwischen Oberster Bayerischer Brandschutzbehörde und Architektenkammer /Oberste Baubehörde wurden folgende Lösungen genehmig und sind seit Jahren praktisch erprobt.

Es muss sichergestellt werden, das der 1.Fluchtweg für Rollstuhlfahrer, Behinderte, Senioren und Kinder, auf allen Ebenen entsprechend im "Zwei-Sinne-Prinzip" nach DIN 18040-1 Punkt 4.4 beschildert und markiert wird.

A) Schaffung von rauchdichten Vorräumen und Schutzbereichen mit ausreichenden Bewegungsflächen - z.B. über mehrere Geschosse - vor dem Aufzug. In Einzelfällen können statt sogenannten "Feuerwehraufzüge", auch schon Standardaufzüge als Rettungsweg genehmigt werden, bei denen der Funktionserhalt im Brandfall durch einfache Maßnahmen sichergestellt ist:

  1. Abzweig der Stromzufuhr zur Aufzugmaschine vor dem Hauptschalter des Gebäudes
  2. Brandgeschützte Ausführung dieser Zuleitung ( F30 )
  3. Türschließbetätigung in der Kabine, um den Aufzug in Gang zu bringen, wenn bei Rauchentwicklung durch eine Lichtschranke das Schließen der Kabinentür verhindert würde. ( Vorraum mit rauchdichten Türen )

Quelle: Bayerische Architektenkammer, Barrierefreies Bauen 2, DIN 18024 T2 Öffentlich zugängliche Gebäude und Arbeitsstätten, 7.3 Aufzug, Seite 33

B) Alternativ zum Feuerwehraufzug bieten sich zusätzlich für "Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte, Kinder und alte Menschen" - kostengünstige "Schlauchrutschen" oder "Rohrrutschen" als zusätzliches Gestaltungselement an, die im Brandfall oft die einzige Fluchtmöglichkeit dh. den 1.Fluchtweg und die "Selbstrettung" ins Freie sicherstellen und sich international bewährt haben !

C) Auch ein Außenaufzug stellt eine planerische Lösung dar und bietet im Brandfall gute Voraussetzungen für den barrierefreien 1.Fluchtweg von Menschen in öffentlichen Gebäuden auch in Krankenhäusern und Pflegestationen

Autorinfo

Architekturwerkstatt FREIRAUM

Herr Dipl.-Ing. Architekt Andreas Unser

Fachberater "AK Barrierefreies Bauen" der Stadt Schweinfurt

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