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Barrierefreiheit in Ausstellungen und Museen

Rechtliche Grundlagen für Museen als öffentliche Einrichtungen und deren Auswirkung auf die Planung

Beschriftete BildtafelnTreppe ohne HandlaufOriginal hinter Glas, Replik zum anfassen

Geht es um Barrierefreiheit im Museum, so ist für dieses Thema zunächst zu klären, ob es sich um das Gebäude an sich oder die beinhaltenden Ausstellungen geht. Betrachtet man die Sache von seiner praktischen Seite, so hilft es dem Besucher mit Behinderung meist wenig, wenn das Haus barrierefrei ist, aber die Ausstellungen eine Menge an Hindernissen bergen, die ihm einen lohnenden Aufenthalt verwehren. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet das Wort Museum nicht bloß das Gebäude, sondern ebenso seine Inhalte. Daher behandelt der Text das Thema so umfassend wie möglich. Wenngleich auch im Alltag die Zugänglichkeit oft mißverstanden und daher eingeschränkt umgesetzt wird. Zunächst wird erörtert, wie die Forderung nach Barrierefreiheit in Museen entsteht; darauf, was unter Zugänglichkeit und Barrierefreiheit im Museum zu verstehen ist.

Wer fordert von wem Barrierefreiheit?

Die Pflicht zur Barrierefreiheit von Museen läßt sich aus verschiedenen Quellen herleiten. Am abstraktesten geschieht dies auf nationaler Ebene im Grundgesetz in Artikel 3 Absatz 3, dem Gleichheitssatz: "... Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Dieser Satz wurde im Jahre 1994 eingefügt. Er verbietet wörtlich genommen die aktive Diskriminierung, doch ist die zugrunde liegende Auffassung weitergehend. Dies erschließt sich am deutlichsten in den Formulierungen u. a. im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), wo eine ins Passive gewendete Auslegung verdeutlicht, daß die Nichtbeachtung der Bedürfnisse von Behinderten bereits gegen Artikel 3 GG verstößt.

Das BGG aus dem Jahre 2002 wurde von den Bundesländern mehr oder weniger abgeändert eingeführt. Werden im Bundesgesetz die Einrichtungen des Bundes zur Einhaltung des Gesetzes verpflichtet, so wird dies im Grunde nun den Ländern, aber auch den Kommunen analog vorgeschrieben. Dabei wird in § 4 BGG die Barrierefreiheit definiert und in § 8 BGG gefordert (siehe unten). Damit werden auch Museen verpflichtet, sich um Barrierefreiheit zu bemühen. Jedoch spielt dabei immer die Trägerschaft eine Rolle.

BGG § 4 Barrierefreiheit

Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

BGG § 8 Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr

(In den BGG der Länder steht anstatt des Bundes das Land, auch die Kommunen im Mittelpunkt. In den BGG der Länder gibt es weitere Abweichungen.)

(1) Zivile Neubauten sowie große Um- oder Erweiterungsbauten des Bundes einschließlich der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sollen entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik barrierefrei gestaltet werden. Von dieser Lösung kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllt werden. Die landesrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Bauordnungen bleiben unberührt.

(2) Sonstige bauliche oder andere Anlagen, öffentliche Wege, Plätze und Straßen sowie öffentlich zugängliche Verkehrsanlagen und Beförderungsmittel im öffentlichen Personenverkehr sind nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes barrierefrei zu gestalten. Weitergehende landesrechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

Auf internationaler Ebene ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die von Deutschland Anfang 2009 ratifiziert wurde, maßgeblich. Allerdings stellt die Konvention im Allgemeinen kein unmittelbares Recht dar, sondern verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, deren Inhalt in nationales Recht umzusetzen. Die Konvention fordert die volle Umsetzung der Gleichberechtigung aller Menschen, indem der Staat alle ihm möglichen Maßnahmen hierzu ergreift. Neben der Zugänglichkeit ist hier auch die soziale Teilhabe genannt, wozu wohl auch ein Museumsbesuch zu zählen ist. In Artikel 30 werden die Museen explizit genannt, so daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß Menschen mit Behinderung ebenfalls Zugang dazu haben sollten.

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung

Artikel 30 Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, daß Menschen mit Behinderungen

...

  • c) Zugang zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken und Tourismusdiensten, sowie, so weit wie möglich, zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung haben. ...

Auf kommunaler Ebene sei hier noch die Erklärung von Barcelona erwähnt, die bisher von rund 40 deutschen Städten unterzeichnet wurde. Dabei handelt es sich um eine selbstverpflichtende Erklärung anläßlich des Europäischen Kongresses "Die Stadt und die Behinderten" im März 1995 in Barcelona. Unter Punkt IV heißt es: "Die Kommunen ermöglichen im Rahmen ihrer Befugnisse den Zugang von Behinderten zu Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten und allgemein zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Gemeinde." Hier sind die Museen als Teil des Kulturangebots indirekt genannt.

Bleibt man bei den selbstauferlegten Verpflichtungen im Hinblick auf die Museen, so sind selbstredend die ethischen Richtlinien des International Council of Museums (ICOM) zu nennen. Sie definieren einen Mindeststandard, der sich an die im Dienste der Öffentlichkeit stehenden Museen richtet. Sie verpflichten den Träger unter Punkt 2.4, sowohl alle Auflagen des Gesetzgebers bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Zugänglichkeit umzusetzen, als auch auf die speziellen Bedürfnisse behinderter Menschen einzugehen. Hierauf lassen sich die Forderungen, die an Gebäude und explizit auch an deren Einrichtungen gestellt werden, in Bezug auf das Vermitteln und Ausstellen auch beziehen.

ICOM - Ethische Richtlinien für Institutionen

2. Grundprinzipien des Museumsbetriebs

2.4 Räumlichkeiten

Der Träger ist verpflichtet, für eine sichere Aufbewahrung der Sammlungen zu sorgen und ein entsprechendes Umfeld zu schaffen. Gebäude und Einrichtungen müssen geeignet sein, dem Museum die Erfüllung seiner grundlegenden Aufgaben zu ermöglichen: Sammeln, Forschen, Lagern, Bewahren, Vermitteln und Ausstellen. Alle Auflagen des Gesetzgebers bezüglich Gesundheit, Sicherheit und Zugänglichkeit sind umzusetzen. Dabei sollte auch Rücksicht auf die speziellen Bedürfnisse behinderter Menschen genommen werden. Adäquate Vorkehrungen zum Schutz gegen Gefahren wie Diebstahl, Feuer, Wasser, Vandalismus und natürlichen Verfall sollten vorhanden sein. Zu ergreifende Notfallmaßnahmen sind klar festzulegen.

Barrierefreies Museum oder barrierefreie Ausstellung?

Als geltendes Baurecht kommt der Bauordnung in Bezug auf die Barrierefreiheit eine herausragende Rolle zu. Sie ist jedoch auf Neu- und größere Umbauten beschränkt. Die einzelnen Länderfassungen halten sich dabei unterschiedlich stark an die Musterbauordnung des Bundes. Dort wird unter § 50 Absatz 2 unter anderem definiert, daß die Vorschriften auf Einrichtungen der Kultur - also auch Museen - anzuwenden sind.

MBO § 50 Barrierefreies Bauen

(2) Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucherverkehr dienenden Teilen von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können. Diese Anforderungen gelten insbesondere für

1. Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens,

2. Sport- und Freizeitstätten, ...

Daneben ist hier ein besonders wichtiger Hinweis im Hinblick auf die Ausstellungen an sich zu finden: "Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen ... von Menschen mit Behinderungen, alten Menschen und Personen mit Kleinkindern barrierefrei erreicht und ohne fremde Hilfe zweckentsprechend genutzt werden können." Die meist umgesetzte Zugänglichkeit im Sinne der Rollstuhltauglichkeit ist für Museen also nicht ausreichend. Entscheidend ist, daß die Einrichtung zweckentsprechend genutzt werden kann. Blickt man an dieser Stelle auf die Definition in den Statuten des ICOM, was der Zweck eines Museums ist, so heißt es in Artikel 2: "Ein Museum ist eine gemeinnützige, ... der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse ... ausstellt." (siehe unten) Auch wenn ein Rollstuhlbenutzer in ein Museum gelangt, da dies für ihn zugänglich hergestellt wurde, so behindern ihn oft zu hoch angebrachte Informationen, uneinsehbare Vitrinen oder nicht bedienbare Medienstationen unzulässig.

ICOM-Statuten

Artikel 2 - Definitionen

1. Ein Museum ist eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienste der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt. ...

Zugänglichkeit oder Barrierefreiheit?

Es zeigt sich, daß eine saubere Definition der Begriffe Zugänglichkeit und Barrierefreiheit nötig ist. Allein durch dessen physische Anwesenheit in einem Gebäude können dem Besucher nicht unbedingt die Inhalte der Ausstellung vermittelt werden. Da dies wohl der Zweck eines Museums im Hinblick auf die Öffentlichkeit darstellt, wird in solch einem Fall demnach den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprochen. Nehmen wir als Beispiel einen blinden Museumsbesucher, der sich in einem Saal mit sehenswerten Vitrinen und höchst interessanten Texttafeln befindet. Erst, wenn seine spezifischen Anforderungen, wie er Informationen aufnehmen kann, erfüllt sind, kann von Zweckentsprechung die Rede sein.

Hilfreich für die Bedeutungsklärung der verwendeten Begriffe ist an dieser Stelle ein Ausflug in die englische Sprache. Dies um so mehr, da die Forderungen und Umsetzungen der allgemeinen Barrierefreiheit in den USA ihren Ursprung haben.

In den englischsprachigen Gesetzen wird das Wort accessibility verwendet, wo im Deutschen von Zugänglichkeit die Rede ist. Im Allgemeinen wird in Deutschland darunter zum einen nur das Bauwerk verstanden, zum anderen wird die Sicht auf Rollstuhltauglichkeit verengt. Geht man über diese Auslegung hinaus, so wird deutlich, daß Zugang im Sinne des access (in der Bedeutung des Zugriffs, der Möglichkeit oder der Berechtigung) zu verwenden ist. In diesem Sinne gibt es zahlreiche Beispiele wie access key (Paßwort) oder access right (Auskunftsrecht). Einleuchtend wird diese Auslegung auch, wenn man sich das Diskriminierungsverbot erneut besieht. Denn warum sollten nur Rollstuhlbenutzer und Gehbehinderte ein Museum zweckentsprechend besuchen können und nicht auch Blinde, Sehbehinderte oder Hörgeschädigte.

Es läßt sich schließlich rechtlich untermauert zusammenfassen, daß ein Museum für alle Kategorien von Behinderung eine Lösung anbieten sollte, um den Betroffenen nicht nur den Zutritt in das Gebäude zu ermöglichen, sondern ihnen ebenso die Ausstellungsinhalte vermitteln zu können.

Auch wenn die Vorschriften der Bauordnung sich nur auf Neu- und Umbauten beziehen, läßt sie sich in Bezug auf die zweckentsprechende Nutzung zumindest auf Neukonzeptionen und Sonderausstellungen beziehen.

Allen Besuchern einen lehrreichen Museumsbesuch zu bieten sollte jedoch nicht einfach eine Übung der Pflichterfüllung sein, sondern wie in den zahlreichen Grundsätze von der UN über den ICOM bis zu den staatlichen Gesetzen im Dienste der Menschen stehen.

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