Visuelle und taktile Gestaltung in Gebäuden
In der gebauten Umwelt, öffentlich zugänglichen Gebäuden ebenso wie in Wohnbauten können gute Wahrnehmung und Orientierung bei Sinneseinschränkungen durch gleichzeitige Ansprache mehrerer Sinne gewährleistet werden.
Visuelle und taktile Gestaltung in Gebäuden
"Nicht Sehen können trennt von den Dingen. Nicht Hören können trennt von den Menschen." (Immanuel Kant)
Leit- und Orientierungssysteme unterstütze die Bewegung und das Zurechtfinden im Gebäude. Diese Hilfen werden besonders von Menschen mit sensorischen und kognitiven Einschränkungen benötigt.
Dieses Ziel ist zu bereits mit der Planung geeigneter Auswahl von der Anordnung notwendiger Systeme votzunehmen. Grundsätzlich gilt die Regel: So wenig wie möglich, so viel wie nötig!
Die visuelle Gestaltung muss bei eingeschränkter Sehfähigkeit und Verwendung von Hilfsmitteln (z. B. Brille) die Wahrnehmbarkeit und Erkennbarkeit von Informationen ermöglichen.
Auch eine auditive Gestaltung kann für Menschen mit Höreinschränkung nicht immer ausreichend sein. Hier ist die Kommunikation bzw. Information über einen anderen Sinn, z.B. Sehen, zu ermöglichen.
Informationen nimmt man bis zu 90 % durch Sehen, d.h. visuell auf. Blinde Menschen oder sehbehinderte Menschen ersetzen den Sehverlust mit ihren taktilen und auditiven Sinnen - Tastsinn und Hörvermögen).
Abbildungen Dietmar Böhringer Fachbeitrag Barrierefreie Kontraste
Treppe bei großer Beleuchtungsstärke - wie bei der nebenstehenden Blitzlichtaufnahme - scheint die Kontrastwirkung von Weiß und Schwarz zum mittelgrauen Belag ungefähr gleich deutlich zu sein. Dies ist aber nicht immer der Fall, denn bei geringer Beleuchtungsstärke - Aufnahme ohne Blitz - wird der schwarze Kontraststreifen nahezu unsichtbar, während der weiße auch bei sehr wenig Licht noch gut erkennbar bleibt.
DIN 18040-1 Punkt 4.4 - Warnen/Orientieren/Informieren/Leiten
Informationen für die Gebäudenutzung, die warnen, der Orientierung dienen oder leiten sollen, müssen auch für Menschen mit sensorischen Einschränkungen geeignet sein. Die Vermittlung von wichtigen Informationen muss für mindestens zwei Sinne erfolgen (Zwei-Sinne-Prinzip).
Sie dürfen nicht durch Hinweise anderer Art, wie z. B. Werbung, überlagert werden.
Informationen können visuell (durch Sehen), auditiv (durch Hören) oder taktil (durch Fühlen, Tasten z. B. mit Händen, Füßen) wahrnehmbar gestaltet werden. Nachfolgend werden zu jeder Wahrnehmungsart Hinweise für eine geeignete Gestaltung der baulichen Voraussetzungen gegeben.
Gefahrenstellen und gefährliche Hindernisse sind für blinde und sehbehinderte Menschen zu sichern, z. B. durch ertastbare (siehe auch 4.5.4 Ausstattungselemente) und stark kontrastierende (siehe auch 4.4.2 Visuell) Absperrungen.
Flure und sonstige Verkehrsflächen sollten mit einem möglichst lückenlosen Informations- und Leitsystem ausgestattet werden. Bei größeren Gebäudekomplexen sollte sich das Informations- und Leitsystem auch auf die Verkehrsflächen in den Außenanlagen erstrecken.
Auftraggeber und Architekten sind für die Umsetzung verantwortlich. Festgelegt ist das in den VV TB der Bundesländer.
Anwendung des Punktes 4.4 in den einzelnen Bundesländern (siehe VV TB)
Baden-Württemberg | Berlin | Brandenburg | Bremen | Hamburg | Mecklenburg-Vorpommern | Niedersachsen | Rheinland-Pfalz | Saarland | Sachsen-Anhalt | Schleswig-Holstein | Thüringen
Abweichungen:
- Die in den Abschnitten 4.4 und 4.7 (Alarmierung und Evakuierung) genannten Hinweise und Beispiele können im Einzelfall berücksichtigt werden.
Bayern | Hessen | Sachsen - Die mit den Abschnitten 4.4 (Warnen / Orientieren / Informieren / Leiten) und 4.7 (Alarmieren und Evakuieren) verbundenen Ziele sind, soweit erforderlich, zu berücksichtigen; die genannten Hinweise, Beispiele und Empfehlungen können somit im Einzelfall Anwendung finden.
Nordrhein-Westfalen
Visuell: Visuelle Informationen müssen auch für sehbehinderte Menschen sichtbar und erkennbar sein.
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Sehen/Erkennen sind: Leuchtdichtekontraste (hell/dunkel); Größe des Sehobjektes; Form (z. B. Schrift); räumliche Anordnung (Position) des Sehobjektes; Betrachtungsabstand; ausreichende und blendfreie Belichtung bzw. Beleuchtung.
Auditiv: Akustische Informationen müssen auch für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen hörbar und verstehbar sein.
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Hören/Verstehen sind: das Verhältnis zwischen Nutzsignal S (Signal) und Störgeräusch N (Noise); die Nachhallzeit und die Lenkung der Schallenergie zum Hörer.
Taktil: Informationen, die taktil zur Verfügung gestellt werden, müssen für die jeweilige Art der Wahrnehmung geeignet sein. Taktile Informationen können von blinden Menschen auf unterschiedliche Weise wahrgenommen werden: mit den Fingern; mit den Händen; mit dem Langstock; mit den Füßen (mit oder ohne Schuhwerk).
Abbildungen Ulrike Rau Fachbeitrag Zwei-Sinne-Prinzip
DIN 32975 - Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung
Die Norm legt Anforderungen an die Gestaltung optischer Informationen für den Straßenraum, für öffentlich zugängliche Gebäude beziehungsweise Einrichtungen sowie Verkehrsmittel und -anlagen fest, um damit die Sicherheit, Orientierung und Mobilität für Menschen mit und ohne Sehbehinderung zu verbessern.
Sie enthält Aussagen über Grenzwerte für Leuchtdichtekontraste, Beleuchtung und Größe von Informationselementen und Schriftzeichen sowie das Verhältnis, in dem diese Werte stehen müssen, um eine möglichst gute Wahrnehmbarkeit zu erreichen. Informationen im öffentlichen Raum im Sinne dieser Norm sind zum Beispiel Verkehrs- und Wegeleitungsinformationen (Fahrplan, Linien-, Tarif-, Standort- und Wegbeschreibungen als statische oder dynamische Anzeigen, Beschilderung, Wegeleitsystem), Kennzeichnung von Absperrungen, Hindernissen, Gefahrenstellen, Bedienelementen technischer Anlagen (zum Beispiel Automaten, Türöffner, WC-Anlagen, Aufzüge).
Die Norm verwendet die Michelson-Formel und differenzieren die Anforderungen an den Mindestkontrast in Abhängigkeit von der visuellen Funktion der Objekte oder Markierungen.
- Mindestkontrastwert
- von 0,4 und 0,7 (bzw. 0,8)
- Mindestreflexionsgrad der helleren Fläche von 0,5
Nach anerkanntem Stand der Technik können zur Ermittlung des Kontrastes durch Anwendung der Michelson-Formel neben der Leuchtdichte (L) auch der Reflexionsgrad (ρ) nach DIN 5036-3 verwendet werden.
Bei Anwendung dieser Alternativmethode zur Kontrastermittlung sollte man sich bewusst sein, dass unterschiedliche Materialeigenschaften, wie z. B. ein Wandanstrich neben der Lackierung eines Türrahmens, nicht berücksichtigt werden können. In Grenzfällen reicht diese Methode nicht aus. Dann sollten doch Messungen vorgenommen werden, um Planungssicherheit zu erlangen.
Für die Sicherheit aller Nutzer, nicht nur für Menschen mit Sehbehinderung, sind visuell kontrastreich gestaltete Treppen. Die Erkennbarkeit ist nach Norm gegeben, wenn sich die Handläufe und Stufen durch Stufenkantenmarkierung visuell kontrastierend (K ≥ 0,4) vom Umfeld abheben.
DIN 32984 - Bodenindikatoren im öffentlichen Raum
Blinde und sehbehinderte Menschen sind, bedingt durch das fehlende oder eingeschränkte Sehvermögen, Orientierungsproblemen und damit verbundenen Gefährdungen ausgesetzt. Sie sind in Verkehrsräumen mit Gefahrenstellen, fehlenden oder weit entfernten Raumbegrenzungen, hohem Geräuschpegel oder nur optischen Orientierungshinweisen am Wegesrand ohne Orientierungssysteme hilflos und von einer selbstständigen Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausgeschlossen.
In der Norm werden Form und Maße der Profile und der erforderliche Leuchtdichtekontrast der Bodenindikatoren festgelegt. Es werden Aussagen zu den Anforderungen an die taktile und visuelle Erkennbarkeit getroffen. Bodenindikatoren sind dort einzusetzen, wo andere Markierungen durch sonstige taktil und visuell, möglichst auch akustisch klar erkennbare Leitelemente oder Leitlinien ("sonstige Leitelemente") für die Leitung, Orientierung und Warnung nicht ausreichen oder fehlen.
Bodenindikatoren müssen auch bei ungünstigen Beleuchtungsverhältnissen frei von Reflexionsblendung erkennbar sein. Ist kein ausreichender Leuchtdichtekontrast K (nach Michelson), zwischen Bodenindikatoren und dem angrenzenden Bodenbelag vorhanden, sind Begleitstreifen erforderlich, damit auch sehbehinderte Personen Bodenindikatoren zur Orientierung nutzen können.
Besonderheiten für taktile Markierungen in Gebäuden
Je nach der Notwendigkeit, selbstständig bestimmte Wege in öffentlichen Gebäuden bewältigen zu müssen, der Übersichtlichkeit der Gebäude sowie der Häufigkeit ihrer Benutzung, ergeben sich Unterschiede in den Anforderungen an die Ausstattung mit einem Leitsystem für blinde und sehbehinderte Menschen.
"Bodenindikatoren in Gebäuden sind dann weitgehend entbehrlich, wenn die bauliche und kontrastreiche Gestaltung eine leichte Orientierung für blinde und sehbehinderte Menschen ermöglicht. Hierzu können eine orthogonale Innengestaltung sowie eine sinnfällige Anordnung oder Abfolge von Fluren, Treppen und Raumfolgen beitragen."
Das betrifft Flure mit durchgehenden Wänden ohne Vorsprünge und Einbuchtungen in Bürogebäuden, Hotels. In großen Hallen und Foyers, die breiter als 8 m sind, ist ein auf diesen Bereich beschränktes Leitsystem zu Treppen, Aufzüge, Abzweigungen erforderlich.
weitere Beispiele
- Aufmerksamkeitsfelder in den einzelnen Etagen vor den Treppen, mindestens oberhalb
- Auffindestreifen/Hinführungen zu Informationselementen für blinde und sehbehinderte Menschen, Wartebereichen und (Behinderten-)WCs
- Anforderungen an Türbereiche und zur Absicherung von Automatiktüren
- Handlauf- und Türbeschriftungen nach DIN 32986
Materialwahl zur Gestaltung
Leitstreifen: nachträgliches Aufbringen oder Einfräsen von Rippen
kontrastreiche Teppichläufer oder Streifen aus anderen geeigneten, taktil und visuell gut erkennbaren und unterscheidbaren Belägen
Aufmerksamkeitsfelder: Teppichstrukturwechsel oder andere Materialien ohne Struktur
Auffindestreifen: Sie sind zum taktilen Büroschild, bei Türen mit Taster zum Taster zu führen. Bei Aufzügen führen die Auffindestreifen immer zum Anforderungstaster.
Fortbildung für Architekten, Innenarchitekten, Planer, Bauherren, Ingenieure
für die barrierefreie Gestaltung visueller und taktiler Informationen in Gebäuden
Visuelle und taktile Gestaltung