barrierefrei bauen - die Standards der ÖNORM B 1600
barrierefrei bauen
Planungsgrundlagen und Praxisbeispiele - Text mit Zeichnungen
"Diese Broschüre unterstützt alle, die als Profis mit dem Hochbau zu tun haben: Architekturbüros, Bauträger, Bauherrn, Fertighausbauer, Wohnbaugenossenschaften, Verkehrsplaner, Sanitärhandel, ... Die Broschüre konzentriert sich auf die Grundzüge und zeigt, was man tun kann und wie es geht, ohne die Kreativität der PlanerInnen einzuschränken."
Herausgeber: Land Salzburg - Abteilung Soziales
Text/Zeichnungen: Mag. Franz Erwin Eiersebner
Seiten: 72, Ausgabe: Juli 2008
Leseprobe
Allgemeiner Vorspann
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Eigentlich ist es gar nicht so schwer, eine Wohnanlage oder eine Wohnung und das Wohnumfeld barrierefrei zu gestalten. Man muss nur die Mindestanforderungen kennen und bei einem Neubau das berücksichtigen, was später gar nicht mehr oder nur mit sehr hohen Kosten änderbar ist. Vieles ist heute schon selbstverständlich. Dann und wann wird einiges vergessen - wie Steckdosen und Heizkörperventile in Bodennähe, unerreichbare Fenstergriffe.
Bei einer barrierefreien Planung geht es um vier Ziele:
- Alle Menschen sollen selbstständig (grundsätzlich ohne fremde Hilfe) unterwegs sein und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.
- Alle Anlagen sollen ohne Erschwernisse zugänglich und nutzbar sein.
- Wer plant, soll sich das Alltagsleben nicht schwer, sondern leichter (dh bedienerfreundlicher) machen. Meist ist alles, was bequem, einfach, ohne viel Kraftaufwand und gefahrlos genutzt werden kann, auch für alle besonderen Lebenslagen gut.
- Barrierefreies Bauen ist auch ein Beitrag zur Sturzprophylaxe.
Bei Umbauten geht es meist um die sündteuere nachträgliche Beseitigung von Bausünden der Vergangenheit. Zu den "Klassikern" zählen:
- zu enge Bäder,
- keine oder zu kleine Dusche, emailierte Brausetassen,
- Mini-WC mit Tür nach innen und einer Türlichte von 70 cm,
- unerreichbare Steckdosen, Heizkörperventile,
- enge Gänge,
- zu kleine Balkone und zu hohe Balkontürschwelle,
- ungeeignete Haltegriffe an falscher Stelle,
- die berühmte eine Stufe vor der Haustür,
- zu hohes Quergefälle bei Gehsteigen/Gehwegen.
Planungsebenen
Barrierefreies Planen muss auf allen Ebenen zur Selbstverständlichkeit werden, um so als Gesamtpaket nachhaltig wirksam zu werden. Verfolgt wird eine Doppelstrategie:
Öffentlicher Raum: von vornherein. Die barrierefreie Planung von Verkehrsflächen und von öffentlich zugänglichen Bauten ist ein absolutes Muss. Sie müssen von vornherein ohne besondere Erschwernis von allen nutzbar sein. Es betrifft nicht nur Geschäfte und Ämter sondern auch Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie Arztpraxen, Krankenhäuser, Sonderwohnformen, Schulen.
Privater Raum: vorsorglich anpassbar. Der private Wohnbau ist anpassbar zu planen, damit bei Bedarf eine Wohnung mit geringem Kostenaufwand umorganisiert werden kann.
Öffentlicher Raum:
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Privater Raum:
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Ein Neubau soll so ausgelegt werden, dass veränderte Lebenslagen (Pflegebedürftigkeit im Alter) keinen Umzug oder Umbau erforderlich machen.
Dazu einige Good-Practice-Tipps:
- Verzicht auf Türen, wo sie nicht unbedingt notwendig sind
- nur wenig tragende Wände, die einen späteren Umbau leichter machen
- Wohnfunktionen Kochen, Essen und Wohnen zusammenfassen
- breitere Verkehrsflächen mit Zusatznutzen ausstatten
- Schränke mit unter- oder überfahrbaren Sockeln
- Türen, Schalter, Steckdosen 50 cm von Raumecken entfernt
- lieber mehr Steckdosen als Kabelsalat
- tragfähige Unterkonstruktion der Wände für die nachträgliche Anbringung von Halte- und Stützgriffen sowie Treppenlifte
- Leerverrohrungen für nachträgliche elektrische Steuerung (Markisen,...)
- Einbau Französischer Fenster, um niedrige Fenstergriffe zu vermeiden und um eine gute Aussicht in der Sitzposition zu bekommen
Bei Umbauten sind idealtypische Umsetzungen aufgrund der gegebenen Bausubstanz oder des Denkmalschutzes nicht immer möglich. Zudem sollen sich Erschließungsflächen nicht über Gebühr zu Lasten von Wohnflächen auswirken. Zudem muss man um jeden Zentimeter kämpfen. Umso mehr ist das Wissen und die Kenntnis über die Grundlagen und Planungsspielräume (Kenntnis von Interpolationen von Längen und Breiten sowie von Toleranzen) von Bedeutung.
Strategisches Vorgehen
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"Anpassbarer Wohnbau bedeutet, dass spätere Adaptierungen in kurzer Bauzeit kostengünstig ohne Änderungen von Installationen ... vorgenommen werden können" (ÖNORM B 1600).
Mehrkosten. Barrierefreies Bauen muss nicht unbedingt mehr kosten. Mehrkosten sind nicht in Häusern und Wohnungen mit großzügigen Nutzflächen zu erwarten. Höhere Kosten werden vor allem in Kleinwohnungen spürbar. Eine Differenzierung der Kostenfaktoren ist immer sinnvoll.
Keine Mehrkosten
- Bedienhöhen wie Steckdosen, Lifttastatur
- 80-iger Türen (statt 70-iger)
- Montagehöhe von WC und Waschbecken
- Geeigneter Türverschluss im WC
- Keine Sensortasten
Geringe Mehrkosten
- Höhe der Fenstergriffe (oder französisches Fenster)
- Stufenloser Zugang (bei mehr als einer Stufe)
- Breitere Gänge (120 cm statt 100 cm)
- Freiflächen vor Türen (mit Zugewinn von Stellflächen)
- Passender Handlauf
Höhere Mehrkosten
- Größeres WC (im Privatbereich)
- Größere Balkone
- Lift (Liftschacht)
- Längere Rampen
- Parkplätze für RollstuhlfahrerInnen
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