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Die Verbandzeitschrift "Der Durchblick" - Magazin mit interessanten Berichten aus dem Bereich der Arbeit und Forderungen des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreich.

Zielgruppe sind all jene, die sich für die Belange blinder und sehbehinderter Menschen und die Arbeit ihrer Interessenvertretung interessieren.

Doris Ossberger über taktile Bodeninformationen (TBI)

In: Der Durchblick. Mitteilungen des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreich. 1. Halbjahr 2020. [S. 12-13]

Sagenumwobene Streifen

Titelseite-Mann und Frau mit Armbinde für Blinde umarmen sich

Corona braucht keine Leitsysteme. Warum verleitet es mich dann, darüber zu schreiben?

Aus einem ähnlichen Grund wie es Leute in Baumärkte und ähnliche Etablissements getrieben hat, in die sie sich bis vor Kurzem auch vom raffiniertesten Leitsystem nicht hätten führen lassen: Es hat viele von uns dazu genötigt, in die hintersten Winkel unserer To Do Listen zu kriechen und dort lange Liegengebliebenes aufzustöbern.

Eigentlich hinkt dieser Vergleich aber ziemlich. Erstens bin ich in der Corona-Krise nicht gerade von Unterbeschäftigung geplagt. Zweitens ist es nicht so, dass TBI – also taktile Bodeninformationen oder im Volksmund bisweilen auch "Blindenleitsysteme" – uns im Referat für barrierefreies Bauen nur am Rande beschäftigen würden. Nicht zuletzt hatte das Jahr 2018 ja auch die heiß ersehnte Überarbeitung der dazugehörigen ÖNORM V 2102 gebracht. Was aber tatsächlich bislang auf der Strecke geblieben war, ist die Aufklärung von ein paar althergebrachten Mythen darüber, wie TBI funktionieren – beginnen wir also einmal mit drei davon:

Mythos Nr. 1

Taktile Leitsysteme nehmen Menschen an die Hand, zeigen ihnen den Weg und schützen sie vor Gefahren.

Bedingt stimmt das schon, aber nur sehr bedingt eben. Im Prinzip können die tastbaren Rillen am Boden zwei sehr brauchbare Informationen vermitteln: wo entlang ein begehbarer Weg führt und an welchen Stellen eine Gefahr lauern könnte. Wenn sie so ausgeführt sind, dass man sie gut sehen kann, tun sie das auch für alle, die sich sehend orientieren, und werden darüber hinaus nicht selbst zur Stolpergefahr.

Wege und vor allem Wegenetze haben es aber an sich, dass sie zu verschiedensten Zielen führen. Deshalb können taktil gekennzeichnete Wegenetze ganz genauso wenig wie alle anderen Auskunft darüber geben, wohin sie führen. Zu wissen, welche Wege man gehen muss, um an welches Ziel zu kommen, ist und bleibt Aufgabe derjenigen, die sie gehen. Ebenso wenig kann ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld vor einer gefährlichen Stelle wie einer Stufe, über die man stolpern, oder einer Straße, die man ungewollt betreten könnte, davor schützen, dass etwas passiert - es ist ja keine unüberwindbare Mauer oder dergleichen. Aber indem es eindeutig als "Besonderheit" im Leitsystem wahrgenommen werden kann, gibt es Gelegenheit in dem Bereich vorsichtiger unterwegs zu sein und so einen Unfall selbst zu vermeiden.

Taktile Leitsysteme funktionieren also nicht ohne viel konzentriertes und verantwortungsvolles Handeln derer, die sie nutzen. Deshalb ist es auch so wichtig, TBI möglichst einfach und sparsam zu halten und wirklich gezielt einzusetzen. Ansonsten verwirren und gefährden sie mehr als sie helfen.

Mythos Nr. 2

Es gibt nichts Blöderes als eine taktile Leitlinie, die auf eine Hausmauer zuführt und dort endet.

Im Gegensatz zu TBI sind Hausmauern – wie der Name schon sagt – sehr wohl Mauern. Als solche sind sie sehr stabil, verlässlich tast-, meist schwer überseh- und für Geübte durch Schallreflexion sogar hörbar. Dadurch sind sie hervorragend geeignet, um daran entlang zu gehen. Sie zählen zu jenen gegebenen Raumelementen, die auch überall dort, wo es keine TBI gibt, von blinden Menschen erfolgreich als Orientierungslinien genutzt werden. Das Gefüge aus solchen "gegebenen Orientierungselementen" bildet die Grundlage jedes taktilen Leitsystems.
TBI werden nur dort zur Ergänzung eingesetzt, wo es entweder keine durchgehende Orientierungslinie oder kein anderes Raumelement gibt, das die Funktion erfüllen kann, wie z.B. vor einer Stufe als Stolpergefahr zu warnen ohne dabei deren Nutzung zu be- oder verhindern. Eine taktile Leitlinie, die auf eine Hausmauer zuführt, möchte also niemanden gegen eine Wand laufen lassen, sondern ist einfach nur ein Übergang von einer Art von Orientierungslinie zu einer anderen.

Ein Detail am Rande: Eine ganz schön lästige bis gefährliche Sache sind bekanntlich Hindernisse, die ein taktiles Leitsystem verstellen. Die Straßenverkehrsordnung verbietet das seit geraumer Zeit für "Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderungen". Dass es sich um solche handelt, ist bei TBI leider deutlich einfacher zu argumentieren als bei Hausmauern.

Mythos Nr. 3

Blindenstock auf AufmerksamkeitsfeldBodenleitsystem aus Stahlrippen und Noppen am oberen Ende einer TreppeLeitsystem an einer Straßenbahnhaltestelle

Es kann doch nicht so schwer sein, ein international einheitliches System festzulegen.

Oh doch, das ist es, und wie. Aber es ist lange nicht so verwerflich, wie es vielleicht klingt. Kulturen sind verschieden, Menschen noch viel mehr – und dadurch auch die baulichen Strukturen, die sie im Laufe der Zeit hervorbringen. Es gilt viele verschiedene Gewohnheiten wahrzunehmen, sich auszudrücken, Dinge zu verstehen etc. Es wird ja beispielsweise auch nicht auf der ganzen Welt dieselbe Sprache gesprochen. Sogar innerhalb von Österreich gibt es von Bundesland zu Bundesland feine Unterschiede.

Gewohntes kann Sicherheit schaffen. Vielfalt macht vieles schöner und interessanter und manches auch komplizierter. Aber sie ist auf keinen Fall das Alleinstellungsmerkmal von "blinden Menschen, die sich auf nichts einigen wollen", sondern etwas, das uns immer und überall begegnet.

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Autorinfo

BSVÖ, Referat für barrierefreies Bauen

Frau Doris Ossberger

1130 Wien

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