DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum
Neufassung der DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum - Ausgabe 2023-04
Fortbildung für Architekten/Planer und Entscheidungsträger
für die barrierefreie Gestaltung öffentlicher Verkehrsanlagen nach DIN 18040-3 und DIN 32984.
Webinar Öffentlicher Raum im Februar 2025
Seminar Barrierefreie öffentliche Infrastruktur
DIN 32984: 2023-04 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum
Neufassung 2020 und Neuherausgabe 2023
Bodenindikatoren haben für Blinde und Sehbehinderte eine doppelte Funktion. Zum einen weisen sie auf etwas hin, sagen also etwa: "Achtung!", "Pass auf!" oder "Hier ist etwas". Das kann ein mögliches Ziel, aber auch eine Gefahr sein.
Dazu müssen Bodenindikatoren beim Vorbeigehen auf sich aufmerksam machen und dürfen nicht versehentlich überlaufen werden. Zum anderen haben sie Zeichencharakter, d.h. an ihrer Form und Anordnung muss ablesbar sein, auf was sie aufmerksam machen sollen, ob etwa eine Gefahr geradeaus oder ein Ziel seitwärts ist.
Für die erste Funktion ist die genaue Form der Bodenindikatoren nicht wichtig, von Bedeutung ist nur, dass man auf sie aufmerksam wird. Sie müssen sich also deutlich vom Umgebungsbelag unterscheiden, für blinde Menschen taktil, also mit den Füßen oder dem Langstock wahrnehmbar sein, und für sehbehinderte visuell. Wenn die Norm Mindestmaße und Struktur der Bodenindikatoren vorschreibt, dann immer im Kontext mit dem Umgebungsbelag bzw. dem Begleitstreifen.
In dieser Hinsicht hat sich in der Neufassung der DIN 32984 wenig geändert. Die Strukturen, die 2011 definiert wurden, sind gut ertastbar und haben sich bewährt - ganz anders als die der ersten deutschen Bodenindikatoren-Norm von 2000 mit den engen kaum ertastbaren Rillen.
Die Form der Rippenplatten wurde jetzt also unverändert übernommen, ebenso die Anforderungen an die Kontrastflächen (Begleitstreifen) und deren Mindestbreiten.
Bei den Noppenplatten ist seit der Normfassung von 2018 eine diagonale Anordnung Standard. Vorher galt für Auffindestreifen eine orthogonale Anordnung der Noppen als Regelfall, auf dieser Form beruhten damals die Maße. Der Grund hierfür war, dass orthogonale Noppen als leichter überrollbar galten. Nach einer Untersuchung der BASt ist hierfür eher die Form der Noppen maßgeblich, nicht ihre Anordnung. Wesentlich gravierender ist dagegen, dass diagonal angeordnete Noppen sich als deutlich leichter ertastbar erwiesen. (Bordsteinkanten mit einheitlicher Bordhöhe und Bodenindikatoren an Überquerungsstellen. In: Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Bergisch Gladbach 2014, Heft V242)
Deshalb werden seitdem diagonal angeordnete Noppen zugrunde gelegt.(DIN 32984 Rippenstruktur, Noppenstruktur) Im Innenraum sind auch alle Platten zulässig, die im Außenraum verwendet werden. Die vor 2018 üblichen Platten entsprechen aber weiterhin im Wesentlichen der Norm.
Die zweite Funktion der Bodenindikatoren als Zeichen beruht auf Vereinbarung. Rippen und Noppen und ihrer Anordnung wird eine bestimmte Bedeutung zugeordnet. Bodenindikatoren können diese Funktion nur erfüllen, wenn ihre Anordnung genau nach Regel erfolgt. Blinde und Sehbehinderte müssen diese Zeichen "lesen" können, und das funktioniert nur, wenn sie möglichst genau nach Regel verlegt wurden. Anders verlegte Bodenindikatoren führen zu falscher Interpretation oder Missverständnissen. Damit sind auch hohe Ansprüche an den Planer gestellt, der diese Regeln anwenden soll.
In der DIN 32984 ist die Bedeutung dieser Zeichen festgelegt, auf die man sich geeinigt hat. Diese Festlegung ist durchaus willkürlich und könnte auch anders sein. Andere europäische Länder haben hier andere Vereinbarungen. In Österreich verlaufen z.B. Rippen vor Überquerungsstellen parallel zum Bord, in Deutschland zeigen sie die Querungsrichtung.
Diese Systematik wurde für Deutschland mit der DIN 32984 im Jahre 2011 eingeführt, in der Norm von 2000 waren nur Rillenplatten enthalten, die Aussage von Bodenindikatoren entsprechend begrenzt. Ähnliche Systematiken gab es allerdings schon vorher, für Hessen 2006 und Nordrhein-Westfalen 2009. Diese Zuordnung von Bedeutungen wurde jetzt in der Neufassung der DIN 32984:2020-12 beibehalten, aber es gibt einige Präzisierungen und Klarstellungen.
Im Korrekturblatt A1:2022-09 wurden nun noch einige kleinere Fehler v.a. in den Zeichnungen oder ihrer Legende korrigiert bzw. Widersprüche bereinigt, so ragte die Nullabsenkung in einigen Zeichnungen über den Rand der Furt hinaus. Mit diesen Korrekturen erschien nun eine
Neuausgabe als DIN 32984:2023-04.
Anzeige von Überquerungsstellen
Überquerungsstellen für blinde und sehbehinderte Menschen sind mit Richtungsfeldern anzuzeigen, aber das Auffinden ungesicherter Überquerungsstellen wurde mit der Novellierung 2020 erleichtert, und ebenso die Unterscheidbarkeit gesicherter und ungesicherter Überquerungsstellen klarer geregelt.
Gesicherte Überquerungsstellen (Furt oder Überweg / mit Ampel oder Zebrastreifen) werden durch die Kombination von Rippe im Richtungsfeld und Noppe im Auffindestreifen angezeigt.
Bei ungesicherten Überquerungen sollte nach der älteren Regelung lediglich ein Richtungsfeld angeordnet werden. Aber in vielen Situationen war das Richtungsfeld dann kaum zu finden.
Bei seitlich gelegenen ungesicherten Überquerungsstellen sollte deshalb künftig ähnlich wie bei gesicherten ein Auffindestreifen mit Noppen angeordnet werden, der aber dann mit 60-90 cm Abstand zum Richtungsfeld endet.
So wird ermöglicht, dass das Richtungsfeld auch gut gefunden wird und vermieden, dass blinde Menschen suchend vor der Nullabsenkung auf dem Sperrfeld landen. Gleichzeitig wird aber durch die "Lücke" zwischen Auffindestreifen und Richtungsfeld darauf hingewiesen, dass es sich um eine ungesicherte Querung handelt.
Auf Bild 6 ist eine gesicherte und ungesicherte Überquerungsstelle in Hauptgehrichtung bei differenzierter Bordhöhe zu sehen. Weil man direkt darauf zuläuft, sollten die Sperrfelder hier möglichst 90 cm tief sein, damit sie nicht überlaufen werden.
Mit der Korrektur 2023 wurde noch deutlicher formuliert, dass das entscheidende Merkmal ungesicherter Querungsstellen der Abstand zwischen Richtungsfeld und verkürztem Auffindestreifen ist. Der Abstand sollte 60-90 cm sein.
Je nach Platzverhältnissen kann die Länge des Auffindestreifens auch nur 30 cm betragen oder ganz entfallen. Jedenfalls sollen wie schon bisher bei ungesicherten Überquerungsstellen keine Noppen an das Richtungsfeld stoßen.
Neu enthalten sind in der DIN 32984 von 2020 Beispiele für die Anordnung an Überquerungsstellen, die direkt in Hauptgehrichtung liegen. Führt ein Weg direkt auf eine gesicherte Überquerung zu, liegt der Auffindestreifen quer vor dem Richtungsfeld. Damit ist die Überquerungsstelle als gesichert gekennzeichnet. Ungesicherten Überquerungsstellen werden stattdessen lediglich durch ein Richtungsfeld angezeigt.
Auch für Dreiecksinseln gab es bisher keine konkrete Lösung, sie musste aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt werden. Dabei ist die Orientierung auf Dreiecksinseln schwierig, der Verkehrsgeräusche kom-men von allen Seiten, und die schiefen Winkel machen das Zurechtfinden schwer. Künftig führt bei gesicherten Überquerungsstellen vom zentralen Abzweigefeld ein besonderer Auffindestreifen von nur 30 cm Breite mit Noppen zum Richtungsfeld. Einen solchen Noppen-Auffindestreifen mit Leitfunktion gab es bisher noch nicht. Durch die Verbindung Noppe-Richtungsfeld wird erkennbar, dass es sich um eine gesicherte Überquerung handelt.
Auf Bild 7 führt der Auffindestreifen mit Noppen direkt an die Kante des Richtungsfeldes, damit der Ampelmast mit dem Taster gefunden werden kann. Die Breite der Nullabsenkung ist nicht in der DIN 32984 geregelt, sondern ergibt sich aus der DIN EN 17210 Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umwelt.
DIN EN 17210 7.3.4 Breite von Fußgängerüberquerungen
Fußgängerüberquerungen sollten eine ausreichende Breite aufweisen, die es Personen mit fahrbaren Mobilitätshilfen erlaubt, die Fahrbahn nebeneinander zu überqueren oder sich auf einfache und sichere Weise in einer angemessenen Zeit und ohne unnötige Verzögerung oder gegenseitige Behinderung aneinander vorbeizubewegen.
ANMERKUNG Die Breite einer Überquerungsstelle wird in Abstimmung mit der jeweiligen Straßenverkehrsbehörde festgelegt.
Fahrbahnaufpflasterungen und Gehwegüberfahrten
In der Norm von 2011 waren Fahrbahnaufpflasterungen und Gehwegüberfahrten nicht wirklich unterschieden, obwohl es sich in dem einen Fall um eine Fahrbahnquerung und im anderen rechtlich um einen Gehweg handelt, über den z.B. die Zufahrt zu einer Tankstelle führt. Die aktuelle Norm behandelt Fahrbahnaufpflasterungen als Querung, und bietet auch für Gehwegüberfahrten spezifische Lösungen an. Hier kann im Einzelfall dann auch ein Leitsystem weiter helfen, das auf Fahrbahnen nicht zulässig wäre.
Aufmerksamkeitsfelder an Treppen
Wenn unterhalb von Treppen ein Noppenfeld angeordnet wird, ergibt sich oft das Problem, dass bei visuell kontrastreicher Gestaltung die Stufenkantenmarkierung von oben nicht mehr wahrgenommen werden kann. (Bild 8 und 9)
In der Norm von 2011 wurde dies etwas lapidar mit dem Hinweis abgehandelt, dass Scheinstufen zu vermeiden seien. Dieser Hinweis wurde zumeist gar nicht verstanden, und eine Lösung bot die Norm auch nicht an.
Auch bisher schon war ein Noppenfeld unterhalb von Treppen nur erforderlich, wenn dort ein Leitsystem endet. Das wird jetzt etwas deutlicher formuliert. Denn mit dem Langstock lässt sich – von unten kommend - die Vorderkante der untersten Stufe leicht ertasten, die Treppe hinunter fallen kann man auch nicht. Oberhalb der Treppe, vor dem obersten Auftritt, ist dagegen zwingend ein Aufmerksamkeitsfeld anzuordnen.
Wenn dennoch unterhalb von Treppen ein Aufmerksamkeitsfeld angeordnet wird, muss das Aufmerksamkeitsfeld um 60 cm abgerückt werden.
Im Normentwurf von 2018 wurde noch die Möglichkeit genannt, in diesem Ausnahmefall bei dem Aufmerksamkeitsfeld am Fuß der Treppe auf den visuellen Kontrast zum Umgebungsbelag zu verzichten, um den viel wichtigeren visuellen Kontrast zur Stufenkantenmarkierung zu gewährleisten. Das wurde als unpraktikabel wieder gestrichen, auch aus der Befürchtung, dass dies häufig zu falschen Anwendungen führen würde. Das Problem wäre damit allerdings auch gelöst, entscheidend ist, dass die unterste Stufenkantenmarkierung von oben gesehen werden kann.
Auf Bild 11 sind die Treppe und die Bodenindikatoren dunkel mit heller Stufenkantenmarkierung, der Belag oben und unten ist hell und schafft so einen visuellen Kontrast. Die wichtige Stufenkantenmarkierung unten lässt sich so auch wahrnehmen, obwohl das Aufmerksamkeitsfeld nicht abgerückt ist. Die Anforderung der Norm ist damit sinngemäß durchaus erfüllt.
Einstiegsfelder
Bei Bushaltestellen sind Einstiegsfelder nicht immer sinnvoll und es kann auf sie verzichtet werden. Insbesondere wenn der Auffindestreifen wie empfohlen 90 cm tief ist, ist die veränderte Breite des Einstiegsfeldes mit dem Langstock kaum ertastbar. Da ist dann der Abzweig des Leitstreifens parallel zur Bussteigkante schon eher wahrzunehmen.
Bei Bahnsteigen mit über 35 cm Höhe über dem Gleiskörper sollten künftig Einstiegsfelder exzentrisch zum Leitstreifen angeordnet werden, damit die Menschen besser Abstand zur hohen Absturzkante halten können.
DIN 32984 Bodenindikatoren und DIN 18040 Barrierefreies Bauen
Gegenüber der Fassung der DIN 32984 von 2011 sind jetzt einige Regelungen entfallen, die nicht Bodenindikatoren betreffen, z.B. Vorgaben zu Bordhöhen. Nur für Überquerungsstellen mit differenzierter Bordhöhe ist noch im Querungsbereich für Blinde und Sehbehinderte die Höhe von 6 cm genannt, aber auch nicht mehr mindestens 6 cm wie früher. Zur Breite der Nullabsenkung wird dagegen nur noch auf die DIN 18040 verwiesen.
Im Jahr 2011 gab es die DIN 18040-3 noch nicht und die noch gültige DIN 18024 von 1998 behandelte Barrierefreiheit nur unter dem Gesichtspunkt von Rollstuhlfahrern und Gehbehinderten. Entsprechend war der Normausschuss "Medizin – Orientierungshilfen für Blinde und Sehbehinderte" versucht, in die DIN 32984 alles aufzunehmen, was Blinden und Sehbehinderten bei der Orientierung im öffentlichen Raum half, auch wenn es die Belange anderer behinderter Menschen ebenso betraf. Schon damals gab es darüber einen Konflikt mit dem Normausschuss Bauwesen, der bereits an der DIN 18040 arbeitete. Einige Vorgaben wurden im Einspruchsverfahren deshalb wieder gestrichen.
Heute ist die Situation eine andere, es gibt eine allgemein anerkannte Norm zur Barrierefreiheit, die auch die Belange Blinder und Sehbehinderter berücksichtigt. Die DIN 32984 hat seitdem nur noch die Aufgabe, Form und Anordnung der Bodenindikatoren zu regeln.
Allerdings war auch jetzt die Diskussion zwischen beiden federführenden Normausschüssen nicht einfach und ein Grund dafür, dass die Veröffentlichung der DIN 32984 sich so lange verzögert hat. Ein zentraler Konfliktpunkt war am Ende das Schutzzielprinzip der DIN 18040, gemäß dem zuerst immer ein Schutzziel formuliert wird, und anschließend die Regelungen folgen, mit denen das Ziel erreicht werden kann. Grundsätzlich sind dann aber immer auch andere Wege möglich. Das war mit dem Zeichencharakter der Bodenindikatoren nur schwer vereinbar. Zumindest die Bedeutung des Zeichens muss eindeutig sein und nicht missverständlich. Erst auf dieser Grundlage sind dann der Situation angepasste Varianten möglich.
Die im Dezember 2020 veröffentlichte DIN 32984 Bodenindikatoren im öffentlichen Raum wie auch die Neuausgabe vom April 2023 ist der DIN 18040 zugeordnet und ergänzt sie. Grundsätzlich sind die Ansprüche blinder und sehbehinderter Menschen wie die aller anderen Behinderten in der DIN 18040 behandelt. Die genaue Form und v. a. die Anordnung und Bedeutung der Bodenindikatoren werden aber in der DIN 32984 geregelt. Deshalb ist der Normausschuss Bauwesen weiterhin Mitträger der Bodenindikatorennorm.