DIN 32975 - Kontraste
Diese Norm legt Anforderungen an die Gestaltung optischer Informationen für den Straßenraum, für öffentlich zugängliche Gebäude beziehungsweise Einrichtungen sowie Verkehrsmittel und -anlagen fest, um damit die Sicherheit, Orientierung und Mobilität für Menschen mit und ohne Sehbehinderung zu verbessern.
Dazu trifft diese Norm Aussagen über Grenzwerte für Leuchtdichtekontraste, Beleuchtung und Größe von Informationselementen und Schriftzeichen sowie das Verhältnis, in dem diese Werte stehen müssen, um eine möglichst gute Wahrnehmbarkeit zu erreichen. Informationen im öffentlichen Raum im Sinne dieser Norm sind zum Beispiel Verkehrs- und Wegeleitungsinformationen (Fahrplan, Linien-, Tarif-, Standort- und Wegbeschreibungen als statische oder dynamische Anzeigen, Beschilderung, Wegeleitsystem), Kennzeichnung von Absperrungen, Hindernissen, Gefahrenstellen, Bedienelementen technischer Anlagen (zum Beispiel Automaten, Türöffner, WC-Anlagen, Aufzüge).
Kontraste im öffentlichen Raum
DIN 32975 - Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung
Klare Regeln für klare Sicht
Sehbehinderte Menschen haben in der Welt der Normen bisher kaum eine Rolle gespielt. Im Jahr 2009 ist die DIN 32975 erschienen. Sie regelt die Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum. Damit wird erstmalig definiert, was Barrierefreiheit aus der Sicht sehbehinderter Menschen ausmacht.
Die DIN 32975 trägt den zugegebenermaßen etwas sperrigen Namen "Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung". Früher war sie - bzw. ihre Vorläuferentwürfe im Normungsverfahren - bekannt unter dem Titel "Kontraste-DIN". Diese Bezeichnung wurde aber aufgegeben, da es in dieser Norm um viel mehr geht als nur um gute Kontraste. In Deutschland gab es bisher noch keine gültige Norm zur Regelung dieser Materie. Dies unterscheidet dieses Normungsverfahren stark von der Baunormung, wo es mit den alten DIN 18024 und 18025 bereits gültige Normen zur baulichen Barrierefreiheit gab.
Vorgeschichte
Dem aktuellen Normungsverfahren gingen zwei Vorläufer voraus: In den Jahren 2002 und 2004 waren schon Entwürfe (so genannte Gelbdrucke) für die DIN 32975 vorgelegt worden, die allerdings beide an zahlreichen Einsprüchen scheiterten. Nachdem die Kritik 2004 sehr massiv daherkam (insbesondere seien die Anforderungen zu unbestimmt und daher praktisch nicht umsetzbar), war zunächst zweifelhaft, ob ein weiterer Anlauf überhaupt sinnvoll wäre. Es dauerte eine Weile, bis sich erneut eine Gruppe zusammenfand, die einen neuen Versuch wagen wollte. Darin waren sowohl Mitverfasser der alten Entwürfe als auch Neue vertreten, Beleuchtungsfachleute ebenso wie mehrere Vertreter der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe und eine Vertreterin der Deutschen Bahn. Auch eine personelle Verbindung zur Normung des barrierefreien Bauens (alte DIN 18024 und 18025, später 18040) war gewährleistet. Besonders hilfreich war, dass mit Professor Dipl.-Ing. Axel Stockmar ein Experte gewonnen werden konnte, der in der internationalen Beleuchtungsnormung aktiv ist und damit einen breiten Zugang zu Informationen aus diesem Gebiet ermöglichte.
Die lange Zeit, die für die Erarbeitung der Norm erforderlich war, hatte auch ihr Gutes: Es konnten zum einen neue wissenschaftliche Untersuchungen aus der Internationalen Beleuchtungskommission eingearbeitet werden. Zum anderen erforderte die technische Entwicklung eine stärkere Beschäftigung mit selbstleuchtenden Anzeigen und deren Besonderheiten (vor allem Displays und Fahrtzielanzeigen auf Bahnsteigen), die im Alltag sehbehinderter Menschen immer häufiger vorkommen.
Wer sich mit Normen beschäftigt, kommt sehr schnell darauf, dass alles mit allem zusammenhängt. Daher ist es oft schwer zu entscheiden, wohin zum Beispiel eine Regelung über die Markierung von Glastüren gehört. Ist das ein Fall für eine Baunorm? Oder für eine Visualitäts-Norm? Oder gibt es Türen, die von der Baunorm nicht erfasst werden und daher speziell geregelt werden müssten? In der neuen DIN 32975 wurde versucht, sich klar abgegrenzt auf visuelle Informationen zu beschränken und bauliche Fragen den Baunormen zu überlassen.
Zum Inhalt der Norm
Die Norm DIN 32975 enthält eine allgemeine Einführung mit Informationen zu den Themen Barrierefreiheit und Sehbehinderung. Es schließt sich der technische Teil an, der zunächst darauf eingeht, welche Art von Kontrast überhaupt gemeint ist. An den früheren Entwürfen war kritisiert worden, dass die Messung und die Berechnungsformel des Kontrastes nicht eindeutig bestimmt seien. Nunmehr ist die Michelson’sche Formel verbindlich. Dabei konnte auf bereits bestehende Normen zur Definition und Messung lichttechnischer Größen verwiesen werden, so dass kein ausführliches Verfahren mehr geregelt werden musste.
Gegenstand der Norm ist primär der Leuchtdichtekontrast, der bestimmte Mindestwerte erfüllen muss. Es wird zwar auch auf Farben eingegangen, diese können aber nur unterstützend wirken, jedoch niemals einen niedrigen Leuchtdichtekontrast ausgleichen. Wichtig ist festzuhalten, dass man sich von dem dreistufigen Prioritätenmodell der Vorentwürfe verabschiedet hat.
Auf der Basis aktueller Untersuchungen mit sehbehinderten und älteren Menschen wird nur noch zwischen zwei Werten unterschieden, zwischen 0,7 und 0,4. Ein Kontrast von 0,7 wird für alle Schrift- und Bildzeichen (z. B. Hinweisschilder oder Fahrpläne) gefordert sowie für alle Elemente mit Notfall- und Warnfunktion (soweit letztere nicht bereits anderweitig genormt sind, wie z. B. Verkehrsschilder). Für Schwarzweißkombinationen ist 0,8 anzustreben. Für alle anderen Informationsträger (z. B. Bedienelemente und visuelle Leitsysteme ohne Schrift) wird ein Kontrast von 0,4 verlangt. Dies sind Mindestwerte. Ein Abweichen nach oben ist möglich und erwünscht.
Die neue Norm hat eine neue Philosophie. Sie geht davon aus, dass die Wahrnehmung einer Information stets ein Resultat verschiedener Faktoren ist. Bei festgelegten Leuchtdichtekontrasten sind dies die Beleuchtung (Adaptationsleuchtdichte), die Schrift- bzw. Zeichengröße und die Beobachtungsentfernung. Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ließen sich Formeln ableiten, die in Anhang A, der normativen Charakter hat, niedergelegt sind. So können für bestimmte Gegebenheiten die erforderliche Beleuchtungsstärke und Zeichengröße errechnet werden. Dies ist auch in Schaubildern dargestellt. Daraus ist für den Anwender zu erkennen, wie zum Beispiel ein Hinweisschild oder ein Aushang ausgeleuchtet werden muss.
Es wird unterschieden zwischen Wahrnehmbarkeit und Lesbarkeit. Zum Beispiel muss ein Fahrplanaushang aus größerer Entfernung wahrnehmbar sein, damit man dann auf ihn zugehen und ihn aus nächster Nähe lesen kann. Eine Lesbarkeit aus größerer Entfernung ist nicht erforderlich. Die Ungenauigkeit in diesem Bereich hatte in den vorherigen Normentwürfen für Verwirrung gesorgt.
Als Referenzwert wurde ein Visus von 0,1 zugrundegelegt. Das bedeutet, dass Leuchtdichte und Zeichengröße bei einem festgelegten Kontrast von 0,7 bzw. 0,4 für Menschen mit einem Visus von 0,1 optimiert werden müssen. Der Wert von 0,1 wurde gewählt, weil er zum einen schon als fester Wert in der ICD (Klassifikation der Krankheiten der WHO) eingeführt ist, zum anderen eine praktikable und sinnvolle Größe ist.
Neben dem bereits erwähnten Anhang A, der das System zur Ermittlung von Zeichengrößen und Beleuchtung enthält, verfügt die Norm noch über einen ebenfalls normativen Anhang B. Dieser enthält spezielle Formeln zur Errechnung der notwendigen Werte für selbstleuchtende Anzeigen.
Zur rechtlichen Wirkung der Norm
Die DIN 32975 ist ebenso wie die zitierten Baunormen eine Norm, die Barrierefreiheit definiert. Das heißt, sie muss nicht für jede Gestaltungsaufgabe angewendet werden, jedoch immer dann, wenn etwas barrierefrei gestaltet werden soll. Ein Gebäude, das zwar den Zugang mit dem Rollstuhl erlaubt, jedoch die Anforderungen der neuen Norm nicht erfüllt, kann nicht als barrierefrei bezeichnet werden.
Das spielt besonders dann eine Rolle, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zu barrierefreiem Bauen besteht - etwa wenn sich der Staat verpflichtet hat, seine Neubauten und großen Umbauten barrierefrei nach dem Stand der Technik zu errichten, oder wenn die Landesbauordnungen bestimmen, welche Gebäude (z. B. öffentliche Einrichtungen) barrierefrei zu gestalten sind.
Wie bei der Zugänglichkeit für Menschen, die Rollstühle nutzen, gilt natürlich auch hier: Kluge Planung führt dazu, dass Mehrkosten für die Barrierefreiheit gar nicht erst entstehen oder zumindest gering ausfallen. Anders als viele Planer leider immer noch denken, sind eine gute Wahrnehmbarkeit visueller Informationen und eine ansprechende Gestaltung keine Gegensätze.
Fazit
Bei allen Schwierigkeiten, mit denen zu kämpfen war, ist es ein sehr großer Erfolg, dass es nun endlich eine Barrierefreiheitsnorm für sehbehinderte Menschen gibt. Mit den einfach zu verstehenden Kontrast-Grenzwerten und den zur Verfügung gestellten Formeln und Schaubildern zur Ermittlung optimaler Beleuchtung und Zeichengröße und zur Gestaltung selbstleuchtender Anzeigen bietet die DIN 32975 der Praxis ein Modell an, mit dem nun zu arbeiten sein wird. Sicher ist die Norm nicht perfekt. Aber sie bietet eine Grundlage, um Erfahrungen zu sammeln, die zu gegebener Zeit in eine Weiterentwicklung einfließen können.
Katrin Auer, Vertreterin der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe im Normenausschuss "Kommunikations- und Orientierungshilfen für Blinde und Sehbehinderte"