VDI 6008 Blatt 5: Barrierefreie Lebensräume
Möglichkeiten der Ausführung von Türen und Toren [2021-02]

Barrierefreiheit bedeutet, dass Liegenschaften und ihre technische Gebäudeausrüstung von Menschen in jedem Alter und mit oder ohne Mobilitätseinschränkung oder Behinderung betreten oder befahren und selbstständig sowie weitgehend ohne fremde Hilfe benutzt werden können und damitindividuelle Potenziale zum selbstständigen Handeln nicht einschränken.

Ziel dieser Richtlinie ist es, in Ergänzung zu Normen des barrierefreien Bauens und anderen Regeln, Möglichkeiten für Türen und Tore aufgezeigt, um Barrieren zu reduzieren, die Sicherheit zu erhöhen und den Komfort zu verbessern. Die Richtlinie geht dabei auf die Individualität der Nutzer ein.

Die vorliegende Richtlinie behandelt Anforderungen und Lösungswege zur Barrierefreiheit von Liegenschaften hinsichtlich der Ausführung von Türen und Toren sowie ihrer jeweils sinnvollen Kombinationen mit anderen Gewerken der technischen Gebäudeausrüstung.

Auszug

4 Einsatz von Türen und Toren in barrierefreien Lebensräumen

Die Planung des Einsatzes von Türen und Toren in barrierefreien Lebensräumen setzt eine Prognose voraus, die die Bedarfe der künftigen Nutzer berücksichtigt, um frühzeitig mögliche Konflikte unterschiedlicher Anforderungen aufzudecken, z. B. hinsichtlich geeigneter Höhen von Bedienelementen.

Möglichkeiten zur Prognose bieten Planungsaspekte nach

  • Gebäudetypen und
  • Art der Einschränkungen

Unabhängig vom gewählten Ansatz wird geraten, das Planungskonzept mit den zukünftigen Nutzern abzustimmen, sofern diese bekannt sind. Sind die Nutzer nicht bekannt, ist es sinnvoll, beispielsweise Sachverständige für Barrierefreiheit, Betreuungs- oder Pflegepersonal einzubinden. Geeignete Ansprechpartner können auch mithilfe der zuständigen Kammern und von Behindertenvertretungen oder ortsansässigen Behindertenverbänden ermittelt werden.

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5.2 Türen

Skizze Durchgangsmaß TürSkizze Bewegungsfläche Schiebetür

Nach DIN 18040 müssen Türen deutlich wahrnehmbar, leicht zu öffnen und schließen und sicher zu passieren sein.

In der Regel ergeben sich mehrere Möglichkeiten für eine barrierefreie Ausführung der Tür (Mindeststandard bis maximale Ausstattung), abhängig von der jeweiligen Einbausituation und den zu erwartenden Nutzern.

Lassen sich die künftigen Nutzer zum Zeitpunkt der Planung nicht eindeutig bestimmen, sollen die Türen und angrenzende Bauteile so ausgeführt werden, dass eine bedarfsgerechte Nachrüstung, z. B. für einen automatischen Betrieb bei Feuer- und Rauchschutzabschlüssen, möglich ist.

Anmerkung: Es wird empfohlen, im Rahmen eines Konzepts zur Barrierefreiheit die Ausstattung der infrage kommenden Türen zu beschreiben.

Tabelle 1: Orientierungshilfe zur Einschätzung der Eignung von Türarten für bestimmte Nutzergruppen
Ältere Menschen mit allgemeiner Kraftminderung Personen mit Einschränkung der unteren Extremitäten (z. B. Rollstuhlnutzer) Gehbehinderte und Bewegungseingeschränkte Sehbehinderte oder  blinde Personen Hörbehinderte oder gehörlose Personen a) Kognitiv einschränkte Personen Einschränkungen der oberen Extre- mitäten aufgrund von Bewe- gungsstörungen (z.B. Lähmungen) Einschränkungen der oberen Extre- mitäten aufgrund von Gliedmaßen- defekten (z.B. Amputation) Kleine Personen Pflegepersonal, Begleitpersonen, Personen mit Kinderwagen
Drehflügeltür
Kraftbetätigt, Ansteuerung über Sensor + + + + +
kraftbetätigt, Ansteuerung über Bedienelement + + +
selbstschließend -
manuell -
manuell und kraftunterstützt + + -
Pendeltür
durchschwingend - - - - - - - - - -
gebremst
Schiebetür
kraftbetätigt, Ansteuerung über Sensor + + + + + + +
kraftbetätigt, Ansteuerung über Bedienelement + + + + b) +
manuell -
Raumspartür
faltend -
drehend -
Karusselltür (manuell)
3 Kammern/ 4 Kammern - - - - - -
Karusselltürc) (kraftbetätigt)
Karusselltür mit Schiebetür (kraftbetätigt)
2 Kammern / 3 Kammern/ 4 Kammern - -
"+" = sehr empfehlenswert "–" = nicht geeignet
a) Die Türart ist für diese Nutzergruppe nicht planungsrelevant (Türkommunikation und Sicherheit ist zu beachten).
b) Bei einer Ansteuerung über Taster muss dieser auffindbar sein, z. B. durch Einbindung in das Leitsystem.
c) Der Durchmesser der Karusselltür ist so zu bemessen, dass für Personen mit Rollator, Rollstuhlnutzer oder auch Personen mit Kinderwagen ausreichend Bewegungsraum bleibt, um der Drehbewegung zu folgen. Es gilt: Je weniger Kammern, desto mehr Raum innerhalb der Kammer bei gleichem Durchmesser.

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5.2.3 Öffnen und Schließen

5.2.3.1 Manuelles Öffnen und Schließen Türschließer

Türschließer werden nach folgenden Arten unterschieden:

  • Obentürschließer (sichtbare Montage auf dem Türblatt oder oberhalb des Türblatts)
  • integrierte Türschließer (im Türblatt oder in der Zarge montiert)
  • Bodentürschließer

Die Anforderungen an Türschließer werden in DIN EN 1154 beschrieben.

Zur Gewährleistung eines optimalen Öffnungs- und Schließverhaltens sind Türschließer mit einstellbarer Schließkraft und Endschlagregulierung zu verwenden.

Die Verwendung eines Türschließers erhöht den Kraftaufwand zum Öffnen einer Tür. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die zum Schließen notwendige Kraft beim Öffnungsvorgang mit eingebracht werden muss. Zusätzlich treten Reibungsverluste auf, die den Kraftaufwand nochmals erhöhen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, Türschließer mit hohem Wirkungsgrad (mindestens 75 %) einzusetzen, die geringe Reibungsverluste aufweisen.

Türschließer mit einstellbarer Schließverzögerungsfunktion, bei denen ein bestimmter Bereich der Schließsteuerung (z. B. 120° bis 80° der Türöffnung) getrennt von anderen Geschwindigkeitseinstellungen reguliert werden kann, bieten den Vorteil, eine verzögerte Schließung zu erreichen.

Feststellanlagen (auch mit Freilauffunktion)

Die Verwendung solcher Systeme ermöglicht es, eine Feuer- oder Rauchschutztür dauerhaft offenzuhalten. Bei Systemen mit Freilauffunktion verbleibt der Türschließer nach erstmaliger Nutzung im vorgespannten Zustand. Die Tür kann dann ohne den ständigen Widerstand des Türschließers benutzt werden und schließt im Brandfall automatisch.

Die Freigabe aus der Feststellposition kann je nach Art der Feststellvorrichtung entweder elektrisch (durch Verwendung eines Drucktasters oder Schalters zur Unterbrechung der Energieversorgung) oder manuell (durch Ziehen/Drücken der Tür aus der Halteposition) erreicht werden.

Eine automatische Auslösung der Feststellanlage über die Brandmeldeanlage im Falle eines Brands sollte vermieden werden, da Feststellanlagen über autarke Brandmelder verfügen und für eine Selbstrettung von Personen so lange wie möglich offen bleiben sollen.

Es sind folgende Systeme von Feststellvorrichtungen verfügbar:

  • integrierte Feststellvorrichtung (integriert in den Türschließer oder in die Gleitschiene)
  • unabhängig vom Türschließer wirkende Fest-stellvorrichtung (Elektromagneten)
  • Türschließer mit Freilauffunktion
  • Drehtürantrieb

5.2.3.2 Automatisiertes Öffnen und Schließen

Durch die Automation von Türen können die Bedienkräfte auf ein Minimum reduziert werden. Folgende Ausführungsmöglichkeiten bestehen bei Drehtüren:

  • automatisches Öffnen der Tür bei Annäherung (Sensor) und selbsttätiges Schließen
  • automatisches Öffnen der Tür bei Betätigen eines Bedienelements und selbsttätiges Schließen
  • Kraftunterstützung bei manuellem Öffnen und selbsttätiges Schließen

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Weitere Inhalte

5.2.3.3 Absicherung der Öffnungs- und Schließbewegungen bei Automatisierung

Die Anforderungen an die Absicherung automatischer Türen sind in ASR A1.7, DIN 186501, 2 und DIN EN 16005 beschrieben. Sofern Türen direkt auf Bereiche mit Durchgangsverkehr öffnen oder eine Berührung zwischen Nutzer und Tür inakzeptabel ist, da ein großer Anteil der Nutzer ältere oder schwächere Personen oder Personen mit Behinderungen und kleine Kinder sind, müssen Schutzeinrichtungen nach DIN EN 16005 vorgesehen werden.

Mögliche Arten der Absicherung der Öffnungs und Schließbewegung sind:

  • Sicherheitssensorik (druckempfindliche oder berührungslos wirkende Schutzeinrichtungen)
  • trennende Schutzeinrichtungen (siehe Abschnitt 5.2.2.7)

Die Absicherung automatischer Türsysteme mit Sicherheitssensorik kommt dort zum Einsatz, wo mit einer hohen Nutzerfrequenz zu rechnen und ein schnelles Öffnen und Schließen der Tür erforderlich ist. Die beidseitig im oberen Bereich des Türblatts angebrachte Sensorik überwacht die Öffnungs und Schließbewegung und stoppt die Türbewegung, sobald sie ein Hindernis erfasst.

Niedrigenergieantriebe bewegen die Tür mit geringen dynamischen Kräften, sodass im Allgemeinen keine zusätzliche Schutzeinrichtung notwendig ist. Bei schweren Türen und breiten Türen ist ein Niedrigenergieantrieb ungeeignet, weil die Bewegung des Türblatts bei Einhaltung geringer Bedienkräfte sehr langsam wird. Trifft die Tür auf ein Hindernis, erkennt dies die Steuerung des Antriebs und stoppt die Bewegung. Im öffentlich zugänglichen Bereich sind Niedrigenergieantriebe ungeeignet, weil es in Folge eines Kontakts mit der Tür zu einem Sturz des Betroffenen mit Folgeverletzungen kommen kann. Eine Eignung für den privaten Bereich, z. B. innerhalb einer Wohnung, kann für Niedrigenergieantriebe gegeben sein, weil dort das Verhalten der Tür seitens des Nutzers bekannt ist und entsprechend berücksichtigt werden kann.

Unabhängig vom Anwendungsbereich ist eine Risikobewertung von automatischen Türen über den Einsatz von Sicherheitseinrichtungen grundsätzlich durchzuführen und soll bereits bei der Planung erfolgen.

5.2.4 Türen mit besonderen Anforderungen

Feuer- und Rauchschutzabschlüsse, Türen mit Anforderungen an den Schallschutz, Haus-/Wohnungstür

5.3 Tore

Bauarten: Schwingtor, Kipptor, Sektionaltor, Seitensektionaltor, Rolltor, Schiebetor, Drehflügeltore

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