Pflegeheimtypen#print

Entwicklung des Wohnens im Alter, ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderung.

Wir leben länger und sind im Alter leistungsfähiger, daher bleiben wir länger selbstständiger. Das Leben im Alter hat sich aus gesellschaftlicher Sicht stark geändert. Zunehmende Mobilität der im Berufsleben stehenden Kinder, führt oft zur räumlichen Trennung des Familienverbundes. Die Großfamilie existiert nur noch selten. Aus dieser Veränderung heraus haben sich Pflegeheime entwickelt, die sich auch baulich und organisatorisch immer wieder den gesellschaftlichen Bedingungen neu angepasst haben.

Von Anfang der 60er Jahre bis heute lässt sich eine Tendenz feststellen, die von starker Fremdbestimmung der Menschen zu möglichst freiem und selbstbestimmten Leben führt. Dieses gilt für alle Altersschichten, also auch für die Älteren, die auf einen Pflegeplatz angewiesen sind. Da die Unterstützung aus dem Familienverbund oft fehlt, entsteht ein vermehrter Bedarf an speziellen Wohn und Pflegeplätzen. Fachleute sind einig, dass der Anteil der Demenzerkrankten im Verhältnis zu den somatisch Erkrankten zukünftig stark zunehmen wird.

Grundsätzlich möchte man so lange wie möglich den Heimaufenthalt - durch ein selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Wohnung mit ambulanten Hilfeleistungen - hinausschieben. Wenn der Weg an einem Heimplatz nicht vorbeigeht, dann möchten die Betroffenen in eine stationäre Einrichtung mit möglichst großer Selbstbestimmung.

Die sich hieraus ergebenden Veränderungen im Bau der Pflegeheime werden in die folgenden genannten vier Generationen des Altenpflegeheimbaues zusammengefasst.

  • 1. Generation: (ca. 1950-1960)
    Zeichnet sich durch eine sehr rationelle "Verwahrung" der alten Menschen aus. Dreibett-, Vierbett oder noch größere Mehrbettzimmer waren die Regel. Diese Zimmer waren möglichst aneinander gereiht (kurze Wege) und nur mit den notwendigen Sanitäreinrichtungen an zentralen Stellen versehen. Die Pflege war schwierig und unter engen räumlichen Bedingungen und einer nicht ausreichenden technischen Ausstattung zu bewältigen. Die Befindlichkeiten und individuellen Wünsche der Menschen wurden nicht ausreichend berücksichtigt.
  • 2. Generation: (ca. 1960-1980)
    Hier ist das Krankenhaus mit seinen funktionalen Abläufen als Leitidee für die Entwicklung dieses Pflegeheimtypus vorherrschend. Immer noch sind Dreibettzimmer die Regel. Die technischen Hilfsmittel werden jedoch in hohem Maße eingesetzt. Im ganzen Tagesablauf (mit vielfältigen Bädern und Schwesternstützpunkten) werden die Altersschwächen der Bewohner "behandelt". Die Architektur und Aufteilung in Stationen ähnelt sehr denen der Krankenhäuser. Auch der Ablauf der Pflege wird nach logistischen Gesichtspunkten militärisch präzise geplant. Die "Patienten" sind satt und sauber.
  • 3. Generation: (ca. 1980-1995)
    Hier wird an Stelle von Stationen schon von Wohnbereichen gesprochen. Technische Hilfsmittel werden im Verborgenem vorgehalten. Die Zimmer sind oft Einzel- bzw. Doppelzimmer. Die Bewohner sollen durch Kommunikationsbereiche und spezielle Motivation zur Selbstständigkeit angehalten werden. Eventuell verlernte Fähigkeiten sollen wiedergewonnen werden.
  • 4. Generation: (ca. 1995-2010) Hausgemeinschaften
    In einem ähnlichen Umfeld wie in den Wohnbereichen soll in familienähnlichen Strukturen in kleinen Gruppen die Normalität des Alltages gelebt werden. Hier ist nicht der Gedanke, ein Krankenhaus so zu gestalten, dass es möglichst wohnlich aussieht, sondern ein möglichst normales Wohnumfeld so zu gestalten, dass hierin die notwendige Hilfe einer stationäre Pflegeeinrichtung geleistet werden kann. Dieses sind insbesondere barrierefreie Duschen, breite Türen und natürlich der Verzicht auf Treppen etc.. Die Hausgemeinschaften selber, in denen 8 bis 12 Personen leben, sind untereinander vernetzt, um hierdurch größere (wirtschaftlichere) Einheiten zu schaffen.
  • 5. Generation: (ca. 2010-heute) Das Quartiershaus
    Basierend auf drei Grundprinzipien: das Leben in Privatheit, das Leben in Gemeinschaft und das Leben in der Öffentlichkeit. Das kann prinzipiell auch ambulant betrieben werden.

Je höher das Maß an Normalität ist, umso besser. Das Zauberwort heißt: Entinstitutionalisierung.

Alles was medizinisch und technisch sinnvoll ist, kommt zum Einsatz, jedoch eher im Hintergrund und aus dem Verborgenen heraus. Es gibt keinen Schwesternstützpunkt, von dem - wie aus der Militärsprache heraus - zu Einsätzen aufgebrochen, nach erfolgreicher Mission wieder zum Stützpunkt zurückgekehrt und dort Meldung über den Erfolg gemacht wird. Alles, was die Normalität des Alltags wiederspiegelt, wird in das Alltagsgesehen einbezogen. So z.B. das Kochen, nicht wie in einer Großküche als versteckte Tätigkeit, wo vielfältiges Personal aus den Augen und aus dem Sinn der Bewohner verschwindet und zu festgelegten Zeiten im Speisesaal das Essen zu sich genommen wird, sondern es wird vor den Bewohnern und - wenn der Wunsch besteht - auch mit den Bewohnern gekocht. Die Gerüche und optischen Reize regen den Appetit an. Hierzu ist es sicherlich nicht notwendig, alles in der Küche zu kochen. Selbstverständlich kann mit teilweise vorbereiteten Speisen von Zulieferern gearbeitet werden.

Zukünftige Entwicklung:

Der Trend zu mehr Selbstbestimmung wird anhalten und sich verstärken.

Hieraus wird es Wohnformen geben, die in Kleinstgruppen auch die Organisation selbstbestimmend übernehmen werden. Es wird Alten WGs geben, die in einem intelligenten und flexiblen Wohnumfeld "Haushälterinnen" oder "Pflegedienstleistende" beschäftigen und auch entsprechende Unterkunftsmöglichkeiten bieten. Der Rückgriff hierauf kann sich verringern durch teilweise gegenseitige Unterstützung.

Politisch ist zu erwarten, dass ein sogenanntes "persönliches Budget" auch für die Heimbewohner bzw. alten Leute mit Hilfebedürftigkeit eingerichtet wird. Das persönliche Budget wird dann der Höhe nach, entsprechend den Einschränkungen, festgelegt. Inwieweit dieses Budget dann eingesetzt wird, bleibt einer hohen Selbstbestimmung der Betroffenen überlassen. An Stelle der Einstufungen in Pflegestufen, ist zu erwarten, dass die Heimbetreiber ein Grundbudget für ein Standardprogramm - Unterkunft und Verpflegung - erhalten werden. Darüber hinausgehende Leistungen, wie z.B. Einzelzimmer oder größere Zimmer, besondere Pflege, oder besondere Verpflegung, wird dann individuell je nach Bedarf und persönlichem Wunsch zugekauft werden können.

Bedingt durch den demografischen Wandel, ist in den nächsten Jahren eine Vielzahl von älteren Menschen auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Diese Aufgabe wäre durch den Bau neuer Pflegeheime allein nicht zu bewältigen. Nur im Verbund mit neuen Wohnformen, wie Alten - WG's, Mehrgenerationenwohnen sowie dem großen Feld der Wohnraumanpassung durch den Umbau im Bestand, wird es gelingen, diese Aufgaben zu lösen.

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