Konzeption barrierefreier Wanderwege

Cover des Planungsleitfadens für die barrierefreie Gestaltung von WanderwegenDurch Forstfahrzeuge erzeugte tiefe Spurrillen auf einem Wanderwegein Baumstamm liegt quer auf einem WanderwegGlasscherben liegen auf einem Wanderweg

Im Ergebnis des Projektes "FreiRaum - Entwicklung und Erprobung eines EDV gestützten Planungshandbuchs - Ermittlung, Bewertung und Konzeption freiraumbezogener barrierefreier Tourismusangebote" ist ein Leitfaden zur Planung barrierefreier Wege in Natur und Landschaft entwickelt worden.

Er fasst Anforderungen an eine barrierefreie Wanderweggestaltung zusammen, enthält Hinweise für die Wege-Analyse sowie praktische Tipps und Gestaltungsvorschläge. In seiner anschaulichen Form ist er als Benutzerhandbuch gleichermaßen für Planer und Praktiker, Städte, Gemeinden und Tourismusbeauftragte geeignet.

Angesichts der bestehenden Nutzungsschwierig­keiten von Wanderwegen durch Menschen mit Behinderungen auf der einen Seite und der z.T. bewegten Topographie mancher Regionen auf der anderen, wird nicht jeder Weg im Freiraum barrierefrei gestaltbar, nicht jedes touristische Ziel erreichbar sein. Oft werden nur Teile des Wegenetzes an die Bedürfnisse bestimmter Gruppen von Nutzern anpassbar und damit selbstständig nutzbar sein. Dabei sind bei den Planern Einfühlungsvermögen in der Zusammenarbeit mit Betroffenen und Kreativitat gegenuber den Gegebenheiten vor Ort erforderlich. Generell gilt es bei der Planung barrierefreier Wege im Freiraum einige Kernpunkte zu beachten, die nachfolgend dargestellt sind.

Erlebnismöglichkeiten einbeziehen

Bei der Planung barrierefreier Wanderwege sollte insgesamt darauf geachtet werden, dass diese nicht nur von ihrer infrastrukturellen Ausstattung her attraktiv erscheinen, sondern auch durch landschaftliche Schönheit oder interessante touristische Anziehungspunkte. Landschaftliche Schönheit ergibt sich vor allem durch ein vielgestaltiges Landschaftsbild.

Wechseln sich zum Beispiel Wälder mit landwirtschaftlich geprägten Flächen ab, ist ein Wald strukturreich, ergeben sich Fernblicke (Aussichtspunkte), so werden die Sinne angeregt.

Viele Menschen wünschen sich bei ihren Wanderungen neben landschaftlicher Schönheit bestimmte Ziele ansteuern zu können, beispielsweise Gaststätten und Ausflugslokale oder bestimmte Freizeiteinrichtungen. Aber auch Orte mit kulturhistorischer oder heimatkundlicher Bedeutung stellen interessante Ziele dar.

Beachtung der ökologischen Tragfähigkeit

Über den Bau von Wegen lässt sich Einfluss auf die Be- und Entlastung bestimmter Landschaftsräume nehmen. Da insbesondere barrierefrei gestaltete Wanderwege Lenkungsfunktion entfalten können besteht die Möglichkeit, Besucher aus ökologisch sensiblen Gebieten fernzuhalten und sie in Gebiete zu führen, die hauptsächlich der Erholungsnutzung vorbehalten sind (Besucherlenkung). Oftmals kollidiert dieser Schutzgedanke allerdings mit dem Ziel, landschaftlich abwechslungsreiche Räume einzubeziehen. Hier ist eine Abwägung zu treffen. Zum Beispiel können Wege randlich an ökologisch sensiblen Bereichen vorbeigeführt werden. Handelt es sich lediglich um trittempfindliche Bereiche, erzielen Holzbohlenwegen eine ausreichende Schutzwirkung.

Mischung der Schwierigkeitsbereiche

Unabhängig davon, ob neue Wege angelegt oder ob vorhandene ausgebaut werden sollen, es muss auf eine ausgewogene Mischung der Schwierigkeitsbereiche geachtet werden. Bei einem ausreichenden Angebot von leichten, mittleren und schwierigen Wegen können Menschen in Abhängigkeit von ihrer Konstitution ihrem Leistungsvermögen oder ihrem Wunsch eher nach Erholung oder sportlicher Betätigung entsprechend ihre Wahl treffen.

In Ortsnähe werden vorrangig Wege mit leichterem Schwierigkeitsprofil und besserer infrastruktureller Ausstattung (im Sinne von Spazierwegen) erwartet, weiter entfernt hingegen eher naturbelassene Wege mit größerer Herausforderung bezüglich Distanz Ausstattung und Schwierigkeit.

Günstig ist auch eine gute Mischung aus Stich- und Rundwegen. Bei größeren Distanzen sollten Querverbindungen zu anderen Wegen geschaffen werden.

Barrierefreie Verkehrsanbindung

Ein wesentlicher Punkt bei der Routenauswahl sorlte die barrierefreie Verkehrsanbindung, insbesondere zum öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sein, denn wo sich bereits bei der Anreise Schwierigkeiten auftun, werden barrierefreie Wege kaum entsprechende Nutzer finden.

Zu einer barrierefreien Verkehrsanbindung gehört sowohl die barrierefreie Gestaltung von Bahnhöfen und Haltestellen des ÖPNV als auch die barrierefreie Gestaltung von Parkplätzen. Nicht vergessen werden darf die Wegstrecke von diesen Anbindepunkten zu den Ausgangspunkten der barrierefreien Wanderrouten.

Wegnutzung

Probleme können sich durch Parallelnutzung der vorgesehen Wanderrouten durch verschiedene Nutzerparteien ergeben. Dies können z.b. land- oder forstwirtschaftliche Fahrzeuge, Radverkehr, Skater, Reiter oder auch Kfz-Verkehr sein. Dabei kann es

  1. zu einer gegenseitigen Gefährdung der Nutzer und
  2. zu einer Beeinträchtigung der Wegqualität kommen.

Bezüglich der Gefährdung ist bei der Auswahl der Wege auf die Häufigkeit der Nutzung durch andere Nutzerparteien zu achten sowie auf die auftretenden Geschwindigkeitsunterschiede. Weiterhin ist darauf zu achten, ob eine eventuelle Gefährdungslage rechtzeitig erkannt wird, d.h. ob z.B. die Reaktionsfähigkeit eines Nutzers durch andere richtig eingeschätzt werden kann (z.B. gehörlose Menschen). Eine Erhöhung der gegenseitigen Rücksichtnahme kann durch Hinweise bzw. Aufstellung von Warnschildern erreicht werden.

Bezüglich der Wegqualität stellt insbesondere die Nutzung durch land- und forstwirtschaftliche Nutzfahrzeuge eine große Beeinträchtigung dar. Die eingesetzten schweren Fahrzeuge können einen Weg in kurzer Zeit stark verändern, ihn sogar für bestimmte Gruppen unbenutzbar machen. Nach Möglichkeit sind daher entweder solche Wege auszuwählen, auf denen auf Grund ihrer Tragfähigkeit keine größeren Schäden oder Veränderungen durch Nutzfahrzeuge zu erwarten sind (z.B. befestigte Wege), oder solche Wege, die generell nicht durch Land- oder Forstwirtschaft genutzt werden. Möglicherweise können in Absprache auch Nutzungsalternativen gefunden werden.

Wartung barrierefreier Wanderwege

Ein wesentlicher Punkt, der hei der Planung barrierefreier Wanderwege Beachtung finden muss, ist die Pflege bzw. Wartung nach Fertigstellung der Wege. Gerade für Menschen mit Behinderungen ist es elementar dass sie die Gegebenheiten vorfinden, die ihnen im Vorfeld vermittelt worden sind. Ist dies nicht der Fall und treten unvorhergesehene Barrieren auf so kann dies zumindest große Verunsicherung hinterlassen im Ernstfall aber sogar lebensgefährlich werden. Die Wege werden dann ganz sicher nicht von Menschen mit Behinderungen angenommen.

Im Freiraum ergeben sich allerdings sehr schnell unvorhersehbare Veränderungen. Seien es Baumstürze, Auswaschungen des Wegebelages oder auch absichtliche Zerstörung von Wegweisern oder ähnlichem.

Für die Pflege der Wege sind daher von vornherein entsprechende Zeit und Kosten einzuplanen bzw. Verantwortungsträger zu bestimmen. Die Kontrolle der Wege muss in kurzen zeitlichen Abständen erfolgen. Eventuell sollte dafür eine Personalschulung erfolgen, um auf die Besonderheiten barrierefreier Wege bzw. auch auf die Prioritäten im Erhalt aufmerksam zu machen. Sinnvoll ist sicher der Einsatz eines Wanderwegewartes.

Zu seinen Hauptaufgaben könnte gehören:

  • Die Überprüfung der lückenlosen Informationskette bestehend aus Informationstafeln, Markierungen, Wegweisern und Leitsystem. Dazu gehört aber auch, auf die Aktualität der gegebenen Vorabinformationen zu achten.
  • Die Überprüfung des Lichtraumprofils: Ragen bestimmte Gegenstände unvorhergesehen hinein, die eventuell zu einem Hindernis werden können?
  • Wartung der Einrichtungsgegenstände wie Stufen und Treppen oder Sitz- und Rastgelegenheiten.

Eventuell empfiehlt sich auch die Anlage eines Wegkatasters. Dieses kann die vorhandene infrastrukturelle Einrichtung enthalten, bspw. wo welcher Wegweiser in welcher Qualität bzw, in welchem Zustand zu finden ist. Schäden lassen sich dann besser orten. Außerdem hilft es, den Überblick über die Vollständigkeit des Systems zu behallten.

Informationsmöglichkeiten schaffen

Menschen mit eingeschränkter Mobilität müssen das geschaffene Angebot vorher beurteilen können, um die Entscheidungsmöglichkeit zu haben, ob es für sie nutzbar ist. Sie sind daher auf sehr präzise und detaillierte Informationen angewiesen. Die vorhandenen Informationsmöglichkeiten entscheiden letztlich darüber, ob barrierefrei gestaltete Wege angenommen werden oder nicht. Als Informationsmedien stehen unter anderem zur Verfügung:

  • Internet
  • Zeitungen, Fachpresse
  • Broschüren, Flyer
  • CDs, Videos und verschiedene Hörmedien
  • Rundfunk, Fernsehen

"Das fertige, barrierefrei gestaltete touristische Angebot wird nur dann Erfolg haben, wenn die Menschen die es in Anspruch nehmen sollen, auch davon erfahren, dass es angeboten wird." Daher sollten die barrierefreien Wege über Rundfunk, Fernsehen und Presse vorgestellt und damit der Bekanntheitsgrad erhöht werden. Zudem sollten weitergehende Informationen zur Verfügung stehen. Dafür bietet sich das Internet als weit verbreitetes und - bei barrierefreier Gestaltung - für Alle nutzbares Medium an. Aber auch bestellbare Broschüren und Flyer (auch auf CD zur Nutzung über Sceenreader, mp3-Format oder Hörkassette) sind geeignete Informationsmedien.

Insbesondere vor Ort sollten Flyer, Broschüren, Kassetten oder CDs (und mp3) in Touristinformationen oder in den Quartieren zu finden sein. Das Personal in den Touristinformationen sollte bestens informiert sein. Das schafft Vertrauen. Vorstellbar wären auch taktile Wanderkarten, die in den Touristinformationen ausgeliehen werden können. Wichtig sind ebenso Informationstafeln an allen Ausgangspunkten, welche noch einmal die wichtigsten Streckeneigenschaften überblicksartig darstellen.

Als Anreiz und zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades vorstellbar ist auch z.B. eine Art "Sammelausweis für barrierefreie Wanderwege". Dort könnten alle bereits vorhandenen Wege mit Streckeneigenschaften vermerkt sein, sowie etwas Platz für eigene Bemerkungen. Dieser Sammelausweis könnte als Tourenbuch fungieren und damit den Anreiz erhöhen, verschiedene Strecken zu bewältigen.

Alle Informationen sollten in einer für jede Behinderungsform wahrnehmbaren Form dargeboten werden. Dabei ist auch auf leichte Sprache zu achten.

Ausleihe von Geräten

Um das touristische Angebot zu erweitern, sollte auch darüber nachgedacht werden, inwieweit Ausleihmöglichkeiten für "Spezialgeräte" geschaffen werden können. Dazu gehören z.B. Zugmaschinen für Rollstühle (z.b. Swiss Track), mit deren Hilfe wesentlich größere Steigungen überwunden werden können, oder auch Spezial-Rollstühle die besonders "Outdoor"-tauglich bzw. den Gegebenheiten besonders angepasst sind (z.B. Strandrollstuhl). Denkbar ist auch die Ausleihe von Handbikes und Rollfietsen oder - für den Wintersportbereich - Monoski, Langlaufbob (Langlaufski für Rollstuhlnutzer) oder ähnlichem.

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