Barrierefreie Mikro-Apartments
"Klein heißt nicht eng": Wird Barrierereduzierung bei der Planung bezahlbarer Mikro-Apartments mitberücksichtigt, können diese zur lebenslangen Wohn-Option für Mieter alle Altersgruppen werden.
Mikro-Apartments, Mikro-Wohnungen, Kleinstwohnungen, Vario- oder Cluster-Wohnen
In Deutschland nimmt die Zahl Alleinlebender stetig zu, so waren 2018 von insgesamt 41,4 Millionen privaten Haushalten ungefähr 17,33 Millionen Single-Haushalte. Gleichzeitig führen Entwicklungen wie der Trend zur Reurbanisierung und die konstante Einwohnerzunahme in sogenannten "Schwarmstädten" zu einer Verknappung städtischen Wohnraums.
In Zusammenhang mit der Errichtung kleiner Wohneinheiten taucht immer häufiger der Name Mikro-Wohnungen auf. Unter diesem wurden allerdings vor allem von Privatinvestoren Wohnungen für eine junge und mobile Klientel gebaut, die meist nur für eine begrenzte Mietdauer in den Objekten verweilt. Doch zunehmend zeichnen sich auch in Deutschland verschiedene Trends ab, kleinere Wohneinheiten für auf Dauer angelegte Mietverhältnisse zu konzipieren.
Mikro-Apartments und ihre Zielgruppen
Die Bauwirtschaft trägt den Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt schon seit einigen Jahren Rechnung: Zunächst auf eine Klientel von eher kurzzeitiger Wohndauer ausgerichtet, wurden zunehmend vorrangig oder ausschließlich Kleinstwohnungen errichtet.
Unter dem Namen Mikro-Apartments sind die meist auf rund 25m² Fläche begrenzten Wohneinheiten mittlerweile in allen größeren Städten bekannt: Diese 1-Zimmer-Wohnungen von überschaubarer Größe werden vor allem von mobilen Kurzzeitmietern wie Studenten, Auszubildenden, Praktikanten, Zeitarbeitern und Berufspendlern nachgefragt.
Mikro-Flats sind in der Regel mit praktischen Einbauten und notwendigen Einrichtungen wie z. B. Küchenzeilen ausgestattet. Zudem sind sie meist bereits möbliert, oft auch an gemeinschaftliche Einrichtungen wie Waschküchen, Fitnessbereiche, Aufenthaltsräume etc. angeschlossen. Im Idealfall bestimmen standarisierte Grundrisse die Baukörper.
Für Bauunternehmer machen Studenten oft nur einen kleinen Teil der Zielgruppe für Mikro-Wohnungen aus. Mit Blick auf Berufspendler und Singles aller Altersgruppen werden die Grundrisse der Kleinstwohnungen etwas größer, wie das Beispiel Berlin zeigt: In Zehlendorf wurden ca. 40 m² große Zweizimmerwohnungen errichtet. In Berlin-Adlershof wurden Wohnungen ab 29 m² Fläche gebaut, die sich an Senioren mit beschränktem Mietbudget richten und größtenteils barrierefrei zugänglich sein sollen.
Trend bei Senioren: Mikro-Häuser und barrierefreie Mikro-Apartments in Gemeinschaftsprojekten
Bei der nicht kleinen Gruppe von Senioren ist eine steigende Nachfrage nach kleinen Wohneinheiten zu verzeichnen. Als ein österreichischer Unternehme 2007 die ersten Mikro-Häuser ab 27 m² plante, waren ältere Bewohner noch gar nicht als Zielgruppe anvisiert. Heute stellen Käufer zwischen 55 und 50 Jahren den größeren Teil seiner Kunden. Mittlerweile bieten die Kleinsthäuser rund ca. 40 bis 60 m² Wohnfläche und werden teilweise auch mit integriertem Aufzug errichtet. Allmählich hat der Erfolg in Österreich den Unternehmer zur Verbreitung seines Modells in Deutschland animiert, so laufen Verhandlungen über den Bau einer Kleinhaussiedlung in Berlin.
Schon länger barrierefrei sind viele der Wohneinheiten, die ebenfalls für einen Bewohner konzipiert sind, aber auch von einem nachbarschaftlichen Miteinander ausgehen. Begriffe wie "Gemeinschaftliches Wohnen", "Co-Housing" und "Generationenübergreifendes Wohnen" beschreiben Nutzungskonzepte, die in Deutschland vor allem von Baugemeinschaften und Genossenschaften verfolgt werden. Diese fokussieren gemischte Mietergruppen und bieten Gemeinschaftseinrichtungen sowie barrierefreie Zugänge und viele Wohneinheiten für in ihrer Mobilität eingeschränkte oder ältere Bewohner.
Lebenslanges Wohnen: Barrierereduzierte Mikro-Apartments für alle Zielgruppen
Neben den Entwicklungen des Wohnungsmarkts rückt zunehmend auch die Erforschung von Zielgruppen und deren Bedürfnissen in den Vordergrund vieler Untersuchungen. So beschäftigt sich die im Auftrag des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) erstellte Studie "Wohntrends 2035“ mit den Wohnpräferenzen Alleinlebender.
Nach dieser sind Mini-Apartments aufgrund der geringen Fläche von ca. 20-25 m² nur für einen kleine Gruppe eine Option (5 % der Befragten). Wesentlich höher fiel die Akzeptanz für kombinierte Modelle wie gemeinschaftliches Wohnen mit gemeinschaftlich nutzbaren Einrichtungen wie z. B. Wasch- oder Wohnküchen aus, was sich etwa 30 % der Befragten als längerfristige Wohnperspektive vorstellen konnten.
Zum "lebenslangen Wohnen" geeignet sind Wohneinheiten, wenn sie als preiswerte Mini-Wohnung für Mieter aller Altersgruppen konzipiert werden und bei der Planung Barrierereduzierung mitgedacht wird. Ohne Platzverlust barrierefrei angelegt werden kann auch eine Kleinstwohnung, sofern einige Punkte beachtet werden:
- Die Wohnung soll auch mit dem Rollstuhl schwellenlos zu erreichen sein.
- Die Innentüren sollen über eine Breite im Lichten von mindestens 80 cm verfügen.
- Bewegungsflächen von 1,2 m x 1,2 m erlauben auch Bewohnern mit Handicaps und im Alter, sich mit Mobilitätshilfen in der Wohnung fortzubewegen.
- Eine bodengleiche Dusche anstatt einer Badewanne erleichtert die Nutzung und sorgt für mehr Bewegungsfreiheit im Badezimmer.
- Der Einbau von einfach zu handhabenden Schiebetüren sowie Fußbodenheizungen statt Heizkörpern spart Platz und schafft Geräumigkeit.
- Offene Wohn-/Ess-Bereiche ermöglichen weite Raumverhältnisse.
- Bodentiefe Fenster sorgen für viel Tageslicht in der Wohnung.
- Balkone erweitern den Wohnraum.
Lebenslanges Wohnen in barrierereduzierten Mini-Apartments: Praxisbeispiele
Mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt in Ballungsräumen entschloss sich die Bundesregierung Ende 2015, insgesamt 120 Millionen in die Erstellung von Mini-Apartments zu investieren. Auch wenn diese zunächst den Wohnbedarf von Studenten und Auszubildenden abdecken sollten, war die Nutzung durch weitere Zielgruppen bereits mitgedacht: So sollten diese barrierereduzierten Bauten so geplant werden, dass eine zukünftige Umwandlung in barrierefreie Unterkünfte leicht durchzuführen ist und auch Mischnutzungskonzepte wie Mehrgenerationenwohnen möglich sind. Andere Wohnungsbauoffensiven planten Neubauten direkt mit einem Anteil an rollstuhlgerechten Wohneinheiten wie beispielsweise das Mikro-Apartementhaus in der Kopernikusstraße, Hannover.
2016 wurden dann im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau unter dem Namen "Variowohnungen" in Deutschland verschiedene Projekte zur flexiblen Nutzung von Wohnraum gefördert. Bei diesen handelt es per Neubau, Aufstockung, Anbau oder Umbau bestehender Gebäude zu Wohnzwecken geschaffenen nachhaltigen und bezahlbaren Wohnraum, der die unterschiedlichen Bedürfnisse von diversen Bewohnergruppen - wie z. B. Studierende oder Senioren - berücksichtigt. Diese Vario-Wohnungen umfassen auf einer Fläche von max. 30 m² Fläche einen Individualraum nebst Kochgelegenheit und Bad/WC und lassen sich mit bis zu drei anderen zusammenlegen.
Ein Maßnahmenkatalog zur Umsetzung eines barrierereduzierenden Konzepts in den Vario-Wohnungen definiert Vorgaben für drei verschiedene Ausstattungsstufen: In diesem ist u. a. festgelegt, ob absatzfreie Zugänge, Aufzüge, Sicherheitsvorkehrungen und automatisierte Einrichtungen vorhanden oder vorbereitet sein sowie welche Mindestgrößen Flure, Bewegungs- und Wendeflächen aufweisen müssen.
Erprobt und untersucht werden u. a. Maßnahmen wie
- der Einsatz flexibler Grundrisse zur Ermöglichung einer zukünftigen Umnutzung,
- die bauliche Vorbereitung von späteren Anpassungen an die Bedürfnisse von älteren Bewohnern,
- räumlich-soziale Konzepte zur Nutzungsmischung, die Mehrgenerationenwohnen ermöglichen.
Entwicklungen im Nachbarland Österreich
Ähnlich wie in Deutschland ist auch in Österreich die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum gestiegen - und die Hauptstadt des Nachbarlands hat bereits vor Jahren reagiert: Unter dem Namen "Smart-Wohnungen" läuft in Wien schon seit 2012 ein Wohnraum-Programm für Mieter mit geringem Einkommen und begründetem Wohnbedarf. Einzugsberechtigt sind Alleinstehende, Ehepaare und Familien, die keine Wohnung haben oder bei denen es zu Überbelegung von Wohnraum kommt, sowie Personen über 65, die die Pflegestufe 3 oder eine Bewegungsbeschränkung haben und in einem Haus ohne Lift leben. Je nach Anzahl der Haushaltsmitglieder können Wohnungen mit Balkon und einer Fläche von 40 bis 100 m² bezogen werden.
Diese Smart-Wohnungen verfügen zwar über sehr kompakte Grundrisse, punkten aber mit einer Besonderheit: Den Bewohnern sind auch großzügige Gemeinschafts- und Freiräume sowie eine hohe Zahl an Nutzräumen für die Allgemeinheit, die zum Teil im gleichen Stockwerk wie die Wohnungen untergebracht sind, zugänglich. Das Programm wurde bisher so gut angenommen, dass 2019 beschlossen wurde, zukünftig jede zweite geförderte Wohnung als Smart-Wohnung zu errichten. Dafür sollen zwischen 2020 und 2025 zusätzliche 135 Millionen Euro investiert werden.