Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte Außenanlagen#print

Anforderungen an das Barrierefreie Bauen nach DIN 18040 Teil 1+2+3
Barrierefreie Freiflächenplanung und Gestaltung von Außenanlagen
Durch Blickbeziehungen und Strukturierung für Orientierung und Sicherheit sorgen.

Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte

Planungshilfen und Praxisbeispiele zu gesetzlichen, technischen und medizinischen Anforderungen

Herausgeber: Insa Schrader

Coverscan: Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte nach DIN 18040

Die DIN 18040 ersetzt in weiten Teilen die bisher gültigen Vorgaben an das Barrierefreie Bauen. Das stellt Einrichtungen, z. B. im Bereich Betreutes Wohnen vor ganz neue Aufgaben. So wurden erstmals sensorische Anforderungen wie Sehen, Hören oder Tasten oder die speziellen Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern berücksichtigt. Zudem bieten neue, flexiblere Maßvorgaben jetzt mehr Gestaltungsspielraum, um Einrichtungen noch besser an spezielle Bedürfnisse anzupassen.

Dieser Ratgeber zeigt, wie mit bedarfsgerechten und praktischen Lösungen nicht nur die Anforderungen der aktuellen Normen sicher erfüllt, sondern gleichzeitig den Betroffenen und Ihrem Pflegepersonal der Alltag erleichtert werden kann. Hinweise zu Besonderheiten bei unterschiedlichen Nutzungsarten und Krankheitsbildern runden das Thema sinnvoll ab.

Barrierefreiheit ist mehr als die DIN 18040!

Barrierefreies Bauen bedeutet heute nicht nur Bauen nach den Regeln von Normen und VDI-Richtlinien. Barrierefreiheit beinhaltet auch die Teilhabe der Menschen z. B. an der Planung ihres neuen Gemeindezentrums oder dass Sanitäranlagen im Prinzip von "Design for all" für jeden jederzeit eigenständig nutzbar sind.

Insa Schrader, die ab März 2020 für "Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte" als Herausgeberin tätig ist, beschreibt wie solche ganzheitlichen Konzepte aussehen können. Anhand einiger Beispiele von Schulbauten und Sportanlagen erläutert sie anschaulich, dass Barrierefreiheit vielmehr zum Begriff für allumfassende Nutzbarkeit von Gebäuden wird. Sie zeigt auf, dass kooperative Planungsprozesse immer mehr zur barrierefreien Quartiersentwicklung im Kontext von Wohnen, öffentlichem Raum und Mobilität dazu gehören.

Demenzsensible Gestaltung des räumlichen Umfelds in der Pflege

Architektur für ältere Menschen und Menschen mit Demenz berücksichtigt alters- und krankheitsbedingte Beeinträchtigungen mit dem Ziel, Sicherheit, Orientierung und Wohnlichkeit zu bieten. Es ist wichtig, dass in dem Maß, in dem die Anpassungsfähigkeit des Menschen an seine Umgebung abnimmt, die gebaute Umwelt unterstützend gestaltet wird.

Birgit Dietz erläutert anhand eines Forschungsprojektes, welche Maßnahmen sich zum äußeren Erschließungskonzept sowie zur inneren Struktur und Ausstattung von Räumen anbieten. Hierbei betrachtet sie vor allem die Aspekte Barrierefreiheit, Licht, Akustik, Raumklima und Ankommen/ Orientierung/ Wayfinding. Darüber hinaus werden die Themen Informations- und Leitsystem im Haus, Farbe/Leuchtdichtekontrast, Möblierung, horizontale/vertikale Erschließung und die Gestaltung der Freibereiche besprochen.

Sporthallen

Ulrike Rau geht darauf ein, welche Anforderungen an Sporthallen gestellt werden, um die Nutzungsmöglichkeiten für Sportlerinnen und Sportler mit Behinderungen zu verbessern. Hierbei betrachtet sie nicht nur verschiedene Boden- und Wandbeläge, sondern auch die Ausstattung von Umkleiden, Geräteräumen und Zuschaueranlagen.

Ihre Vorteile

  • Erfahrene Experten kommentieren ausführlich und leichtverständlich die DIN 18040 Teile 1-3 und bieten hilfreiche Checklisten zur Einhaltung der Anforderungen
  • Eine Übersicht über medizinische Grundlagen ermöglicht, nicht nur aktuelle Einschränkungen und Handicaps zu berücksichtigen, sondern vorwegnehmend mögliche Erkrankungen zu bedenken.
  • Erhöhte Sicherheit von der Gebäudegestaltung bis zur technischen Ausstattung durch technische Hilfsmittel, praktische Einbauten und sinnvolle Schutzmaßnahmen.
  • Die barrierefreie Freiflächenplanung und die Gestaltung von Außenanlagen wird ausführlich erläutert
  • Interessante Beispiele aus der Praxis zu unterschiedlichen Nutzungsarten geben Anregungen für die eigenen Projekte

Inhaltsverzeichnis

Anforderungen an das barrierefreie Bauen | Medizinische Grundlagen | Barrierefreie Gebäudeplanung | Barrierefreie Freiflächenplanung und Gestaltung von Außenanlagen | Gestaltung von Innenräumen und technische Ausstattung | Besonderheiten bei unterschiedlichen Nutzungsarten | Realisierte Beispiele aus der Praxis

Leseprobe

Sicherheit und Orientierung

Park mit Weg und Grünfläche und weit entferntem TurmWeg mit PflastersteinbelagSandweg mit kleinem Steinbelagverborgene Bank hinter einem Strauch und sichtfreie Bank

Die Aufenthaltsqualität und die tatsächliche Nutzung einer öffentlichen Grünanlage oder Freifläche steigen mit dem Gefühl von Sicherheit. Dass eine öffentliche Grünanlage subjektiv gefühlte Unsicherheit hervorruft, hat im Wesentlichen damit zu tun, das bestimmte Phänomene, die als sichtbare Zeichen der Bedrohung und des Verfalls gemeinsam geteilter Werte und Normen gelten, auftreten. (...).

Sicherheit durch Struktur, Blickbeziehung und Orientierung

Blickbeziehungen und Orientierung durch niedrige Bepflanzung

Eine mögliche Strategie ist eine Anpassung der räumlichen Gestaltung im Hinblick auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Nutzer. Eine bekannte Maßnahme zur Förderung eines Sicherheitsgefühls ist die Pflanzung niedriger Büsche und Bäume anstatt hoher Sträucher und Hecken. Diese Art der Bepflanzung schafft Blickbeziehungen und Orientierung. Was aber als hoch oder niedrig wahrgenommen wird, verändert sich mit der Blickposition. Menschen im Rollstuhl haben beispielsweise eine niedrige Blickposition. Ihre Sichtposition von ca. 120 cm hat erheblichen Einfluss darauf, was und wie etwas zu sehen ist. Hinzu kommt, dass die Position einschränkend wirkt, weil die Sichthöhe eine kleinere Bandbreite bietet. Auch ist jemand im Rollstuhl ab einer bestimmten Höhe hinter den Sträuchern nicht mehr zu sehen, was entscheidenden Einfluss auf das subjektive Sicherheitsgefühl hat.

Auch für Menschen mit Gangunsicherheiten, deren Blick oftmals auf den Boden gerichtet ist, um mögliche Stolperfallen rechtzeitig zu bemerken, braucht es besondere Aufmerksamkeit in der Gestaltung der Aufenthaltsräume. Durch den gesenkten Blick auf den Boden ist das Gesichtsfeld eingeschränkt und die Umgebung nur begrenzt wahrnehmbar. Unmittelbar an den Wegesrand gepflanzte Sträucher oder Hecken bedingen diesen Effekt noch ungünstig. Zudem verursacht eine dichte Bepflanzung ein Gefühl von Enge. Die gleiche Wirkung können hohe Mauern verursachen. Diese Enge und eine eingeschränkte Wahlmöglichkeit bei der Durchquerung eines Wegs oder bei einem Aufenthalt an einem Sitzplatz lösen oftmals subjektive Gefühle von Unsicherheit aus.

Sicherheit durch wiederkehrende bauliche Elemente und Strukturen

Sich verorten zu können und gleichzeitig das Ziel zu erkennen, vermittelt Sicherheit. Gerade für Menschen mit Demenz ist diese Unterstützung wichtig, um so lange wie möglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Wiederkehrende bauliche Elemente, sog. Landmarken, wie Pavillons oder Bepflanzungen, wie Solitärgehölze oder Farbrabatten, strukturieren eine Freifläche, sodass sie "gelesen" und verstanden werden kann. Eine Strukturierung ist in Parkanlagen besonders wichtig, da sich die Wege meist durch eine Grünfläche mäandern. Eine Landmarke kann auch ein Kirchturm oder ein Fernsehturm außerhalb eines Parks sein, der vom Park aus sichtbar ist. Diese Blickbeziehung darf nicht durch Bepflanzung oder Mauern versperrt werden. Im Gegenteil, eine bewusst geschaffene Blickbeziehung mit dem Umfeld außerhalb der Grünfläche kann eine vermeintlich enge Gartensituation öffnen und so für ein sicheres Gefühl sorgen.

Prinzip der "geborgten Landschaft"

Indem vorhandene äußere Objekte oder Landschaftselemente optisch in die Grünfläche integriert werden, erscheint der Gartenraum größer und weiter. Dieses Prinzip wird als "geborgte Landschaft" bezeichnet. Wichtig ist, dass eine optische Verbindung zwischen dem Standpunkt des Betrachters, wie beispielsweise einem Sitzplatz, über die Grünfläche hinaus mit der Landschaft oder Umgebung besteht.

Ein einfaches Beispiel: Vorne im Bild des Betrachters befindet sich eine Wiese, die dicht mit Sträuchern eingefasst ist, dahinter in der Ferne liegt eine Landschaft mit hohen Bäumen oder ein Fluss oder See. Die Sträucher werden nun an den Stellen, die zur umgebenden Landschaft ausgerichtet sind, niedriger gehalten oder durch eine Hecke unterbrochen. So bilden Sie eine Pforte, die als Bindeglied zwischen dem Garten oder Freifläche und der dahinter liegenden Landschaft dient. Ein etwas differenzierteres Beispiel könnten Steine sein, die die Silhouette eines angrenzenden Bergs aufnehmen, eine Mauer, die eine Gebäudestruktur aufnimmt, oder ein Baum, der so gewählt und gepflanzt wird, dass er auf den dahinter liegenden Wald verweist.

Wichtig ist, dass die Grenze des Parks, des Gartens oder der Grünanlage erkennbar ist. Eine Umrahmung dieser Grenze, etwa durch Formgehölze oder Mauern, erhöht die Wirkung noch.

Orientierung durch Wegestruktur

Wechsel des Wegebelags

Nicht nur Blickbeziehungen können Orientierung schaffen, sondern ebenso eine deutlich erkennbare Wegestruktur. Eine Unterteilung in Hauptwege und Nebenwege ist in Parkanlagen eine sinnvolle Strukturierung. Ein entsprechender Wechsel des Wegebelags schafft Struktur, wie beispielsweise Pflaster für Hauptwege und wassergebundene Decke für Nebenwege. Für Menschen mit Sehbehinderung und blinde Personen ist es wichtig, dass jede Richtungsänderung deutlich gemacht wird. Wenn keine speziellen Aufmerksamkeitsfelder Anwendung finden, ist auch hier eine Verwendung verschiedener Materialien unterstützend.

Sicherheit und Orientierung

Eine weitere wichtige Unterstützung für Menschen, die sich mithilfe des Langstocks orientieren, ist eine Erhöhung der Einfassung. Die Übergänge vom Weg zum Beet oder Rasen sollen mit einer Kante von mindestens 3 cm ausgebildet werden. Eine regelmäßige Grünpflege dieser Kante ist unbedingte Voraussetzung, damit sie nicht von Rasen oder niedrigen Sträuchern überwuchert wird. Eine ungepflegte Einfassung wird sonst selber zur Barriere, da sich der Langstock darin verfangen kann.

Für eine Außenanlage, die im Schwerpunkt von Menschen mit Gangunsicherheiten oder kognitiver Einschränkung besucht wird, kann ein erhöhter Kantenstein eine Stolperfalle darstellen. Gerade für diese Zielgruppe sollen Pflanzen und Beete am Wegesrand einen Anreiz bieten, Natur zu begreifen, zu fühlen, zu riechen und zu schmecken. Der Schritt hin zu den Pflanzen darf nicht durch eine Kante zur Stolperfalle werden.

Für die Gestaltung eines Blindengartens im öffentlichen Raum ist ein Wegenetz mit Wegkreuzungen und Abbiegungen im rechten Winkel leichter zu erfassen als Wege, die sich durch den Park mäandern. Eine Drehung von 90°, ausgehend von der Vorderseite des Körpers in Richtung der abgewinkelten Arme, kann genauer ausgeführt werden als andere weniger konkrete Richtungsänderungen.

Auch die Wegbreite gibt Auskunft über die Hierarchie der Wege. Wie bereits in Kapitel 5.2. beschrieben, laden breite Wege zum Flanieren ein und werden dadurch eindeutig als Hauptwege erkennbar. Sind diese breiten Wege mit einer wassergebundenen Decke angelegt, kann ein mitlaufender Pflasterstreifen oder Plattenweg innerhalb des Hauptwegs zusätzlich für Orientierung und Sicherheit sorgen. Für blinde Menschen ist dieser mitlaufende Pflasterstreifen mit dem Langstock tastbar. Darüber hinaus führt eine Gestaltung der Wegeführung auf der Basis des energetischen Prinzips automatisch zum Ausgangspunkt zurück (siehe Kapitel 5.2.). Gerade für Menschen mit Orientierungsschwierigkeiten eine wichtige Hilfe.

Wichtige Ausstattung und Hilfsmittel für Menschen mit Sehbeeinträchtigung oder für blinde Besucher einer Grünanlage ist beispielsweise ein taktiler Lageplan zur Erfassung der Freifläche. Das beste Mittel, um sich als blinder Mensch sicher in einem Park oder Garten zu orientieren, sind Handläufe. Dieser Ausstattungsgegenstand ist in einem Blindengarten unbedingte Voraussetzung. Zur Orientierung sind die Handläufe mit tastbarer Brailleschrift (Braille Großdruck DIN 32976) und erhabener Profilschrift (DIN 32986) ausgestattet.

Menschen, die von Geburt an blind sind, beherrschen i. d. R. die Brailleschrift. Spätererblindete erlernen sie jedoch meist nicht mehr, sind aber oft in der Lage, die normale Schrift in taktiler Ausführung zu lesen. Die Informationen sind daher immer sowohl in Brailleschrift als auch in erhabener Profilschrift darzustellen. Wenn die erhabene Schrift auch visuell gelesen werden soll, ist zur optimalen Lesbarkeit für hochgradig sehbehinderte Personen ein Mindestkontrastwert von K = 0,7 bzw. 0,8 für schwarz-weiß einzuhalten (siehe DIN 32975 Kontraste im öffentlichen Raum). Die Höhe der Handläufe sollte zwischen 85 cm und 90 cm liegen und idealerweise aus Edelstahl gefertigt sein.

Maßnahmen für sozialen Zusammenhalt

Neben den baulichen Maßnahmen sollten zur Erreichung eines Sicherheitsgefühls Maßnahmen ergriffen werden, die den sozialen Zusammenhalt stärken. Eine Möglichkeit ist eine infrastrukturelle Arbeit mit den Nutzern des öffentlichen Raums. Mit Spielplätzen, Parks, Geschäften und Nachbarschaftszentren kann eine Infrastruktur geschaffen werden, die für den Aufbau sozialer Kontakte förderlich ist. Denn soziale Beziehungen sind das Rückgrat urbaner Sicherheit.

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